Wie ein Vogel im Flug
Vertrauen gewinnen aus den Quellen des Zen
Heft: | 01 | 2024 Zeit |
Verlag: | Patmos |
Ort: | Ostfildern |
Jahr: | 2023 |
ISBN: | 978-3-8436-1478-8 |
Preis: | 18 Euro |
Seiten: | 144 |
Gebunden | |
Rezension
Glaubensgeist – dieses wunderbar altmodische Wort aus einem der ältesten Zen-Gedichte, dem Shinjinmei des chinesische Zen-Meisters Seng-ts’an aus dem 6. Jahrhundert, beschreibt treffend, worum es in Doris Zölls Buch „Wie ein Vogel im Flug“ geht: den ursprünglichen Zustand des Urvertrauens zur Basis unseres Lebens zu machen, also das So-Sein des Augenblicks ohne Urteil anzunehmen.
Wie das zu erreichen ist, darüber sind sich Doris Zölls und Seng-ts’an einig. Die Übung des Zazen gilt beiden als das geeignete Mittel. Das Gedicht bildet die Grundlage des Buches, auf der die Autorin ihre verschiedenen Themen entfaltet. Dabei geht es ihr nicht darum, einzelne Formulierungen auszuloten; sie kommentiert auch nicht klassisch Satz für Satz, sondern richtet den Blick auf die Grundaussage: „Der höchste Weg ist nicht schwer, wenn du nur aufhörst zu wählen.“
Wie es gelingen kann, den unterscheidenden Geist als Taktgeber zu übersteigen und durch die Übung des Zen im So-Sein anzukommen – darüber schreibt Doris Zölls auf ebenso eindrückliche wie poetische Weise. So nennt sie das, was passiert, wenn wir uns dem So-Sein anvertrauen, „den sanften Gesang des Lebens hören“.
Die Autorin verbindet Geschichten über das Vertrauen mit Weisheitsgeschichten aus verschiedenen Traditionen und macht damit das zutiefst Menschliche des Zweifelns und Vertrauens erfahrbar. Vertrauen als eine uns allen innewohnende Weisheit – diese Botschaft ist tröstlich angesichts politischer, sozialer und spiritueller Grenzen und Trennungen. Zu leben wie ein Vogel im Flug, ohne Zweifel, ob der Himmel trägt, ist nach Doris Zölls keine Illusion, sondern die Bereitschaft, sich immer wieder in den Widrigkeiten des Lebens niederzulassen und in zeitloser Verbundenheit zu leben.
Conny Dollbaum-Paulsen