Dewi Maria Suharjanto, Joachim Valentin ( Hrsg.)

Körper, Eros, Identität

Sexualität und gelingende Beziehungen

Heft: 01 | 2024 Zeit
Verlag:Herder
Ort:München
Jahr:2023
ISBN:978-3-451-39630-4
Preis:28 Euro
Seiten:232
Gebunden
 


Rezension

Wie sehr die katholische Kirche die Ermittlungen zu den Missbrauchsfällen in den eigenen Reihen behindert, lässt sich in den Tagesnachrichten verfolgen. Fast unsichtbar bleiben da die vorsichtigen innerkirchlichen Versuche, aus der Vergangenheit zu lernen.

Einer dieser Versuche ist jetzt in Buchform erschienen. Es ist eine Sammlung wissenschaftlicher Vorträge, die an der deutschen Katholischen Akademie gehalten wurden. Und wer es gern etwas trockener mag, nimmt aus dieser Sammlung eine Menge mit.

Die Vorträge folgen der Einsicht, dass „nach den skandalösen Taten sexualisierter Gewalt und ihrer Vertuschung“ ein Neuanfang „bitter vonnöten“ ist. Und sie fragen danach, wie sich über die Integration von Liebe und Sexualität gelingende Beziehungen herstellen lassen. Interessant ist: Wie der Sammelband zeigt, holt sich die Katholische Akademie dafür auch Rat bei anderen Religionen und sucht über die eigenen Horizonte hinaus nach positiven Eros-Lehren. Die sollen sich nicht nur dem eigenen Leib und dem Leib der anderen gegenüber auf freundliche Weise öffnen, sondern auch die experimentelle Entfaltung von Identitäten unterstützen. Nicht zuletzt sollen sie die sexuelle Selbstbestimmung sichern, wo bislang tiefgehende gesellschaftliche und kulturelle Strukturen ihre Verletzung vorprogrammieren.

Die Tibetologin und Buddhologin Carola Roloff meistert diese Herausforderung in ihrem Beitrag mit großer Ruhe und Klarheit. Sie zeigt, wie variantenreich und komplex der Buddhismus dem rücksichtsvollen, freundlichen und freudvollen Umgang mit der Einheit von Körper und Geist zum Wohle aller Wesen verpflichtet ist. Man kann ihren Beitrag aber auch als kleine Einführung bereithalten, wenn man über die „Suche nach geeigneten Elementen für die Konstruktion oder Rekonstruktion einer positiven und zeitgemäßen buddhistischen Sexualethik“ nachdenken möchte. Carola Rohloff weiß: Auch da gibt es Handlungsbedarf. Sie weist auf Klosterregeln hin, die aus der historischen Tiefe heraus immer noch homophob grundiert sind, Masturbation und Oralverkehr als

Aktivitäten verstehen und es nicht schaffen, mit der Tatsache der Menstruation angemessen

entspannt umzugehen. Dass diese Regeln nicht in ganzer Schärfe für das Sexual- und Liebesleben der Laien gelten, ist klar. Aber wo auch im buddhistischen Alltag Programme im Hintergrund mitlaufen, die den vollen Ernst der Praxis an Verdrängung koppeln, sollte man vorsichtig sein.

Das aber heißt für die Buddhologin nichts anderes, als vorsichtig mit sich selbst und anderen zu sein. Wie man gelingende Beziehungen gestalten kann, wird nicht als fertiges How-to-Set vorgestellt. Den Buddhismus empfiehlt sie im Kontext der unterschiedlichen Suchbewegungen der Tagung als eine Übungsreligion, in der auch die Freude in der sexuellen Berührung an die Fähigkeit erinnern kann, vermeintliche Getrenntheit zu überwinden. Ohne sich zu verraten. Und ohne anderen etwas abzunötigen oder aufzuzwingen.

Weil das aber eine wirklich schwere Übung ist, deren Einbettung in eine modernisierte buddhistische Sexualethik eine Herausforderung bleibt, wünscht sich Carola Rohloff am Ende ihres Beitrags die aufklärende Unterstützung durch Religionspsychologinnen und Religionspsychologen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Das ist viel. Aber überall, wo ein Neuanfang „bitter vonnöten“ ist, um vulnerable Wesen vor sexualisierter Gewalt zu schützen, wird man um so ein interdisziplinäres Großaufgebot nicht herumkommen.

Stephan Porombka

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