Das Orakel spricht
Heft: | 02 | 2025 Resonanz |
Verlag: | Avant-Verlag |
Ort: | Berlin |
Jahr: | 2024 |
ISBN: | 978-3-96445-115-6 |
Preis: | 25 Euro |
Seiten: | 248 |
Aus dem Schwedischen von Katharina Erben | |
Kartoniert mit Zeichnungen der Autorin |
Rezension
Ich solle aufhören, solchen Schund zu lesen, hat mich mein Volksschullehrer angeschnauzt, als er mich nach der Schule mit einem Stapel Comics traf. Zum Glück habe ich das ignoriert, denn sonst wären mir sehr kluge, spannende und faszinierend gestaltete Graphic Novels entgangen, mit packenden Stories und beeindruckenden Zeichnungen. So wie das neue Werk von Liv Strömquist, „Das Orakel spricht“.
Die schwedische Autorin und Zeichnerin hat schon in einigen Büchern beschrieben, wie es in der Konsumgesellschaft gelingt, Menschen zu Konsumwesen umzubauen. Diesmal nimmt sie sich die Flut von Ratgebern vor, von Büchern bis zu Social Media. Etliche darunter haben das Label Spiritualität, ein Begriff, der wie die allgegenwärtige Achtsamkeit kaum noch irgendeine Bedeutung hat. Erfolg, Gesundheit, Beziehung und Sexualität, all das greift Liv Strömquist auf – und konfrontiert die Leserinnen und Leser schließlich mit der einen entscheidenden Tatsache. „Groß ist die Angelegenheit von Leben und Sterben“, heißt es dazu auf dem Holzinstrument, das im Zen zur Meditation ruft. Niemand kann Leben und Tod entrinnen. Das macht Angst, und diese Angst wird zum Geschäft. Für Astrologie, um nicht zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, für exzessive Religiosität, um einen Platz im Himmel oder zumindest bestmögliches Karma für die Wiedergeburt zu sichern, mit ständig wechselnden Gesundheitstipps für ein langes Leben oder zumindest täglichen Affirmationen im Streben nach Glück. Liv Strömquist schreibt und zeichnet dazu kurze Geschichten. Eine davon erzählt von Ronald Reagans Astrologen, ohne den keine politische Entscheidung fiel. Eine andere von Meghan Markle. Die Duchess of Sussex schrieb Motivationssprüche auf Bananen, die anschließend an Wohnungslose und Arme verschenkt wurden. Sprüche, die selbst in einem Verkaufstraining unangemessen klängen.
Liv Strömquist geht Thema und Beispiele neugierig an, und das überträgt sich beim Lesen. Sie kennt sich zudem gut aus in der Popkultur und baut Zitate daraus in ihre Geschichten ein. Das hilft beim Verständnis. Gleichzeitig hat sie genau recherchiert, kennt und bezieht sich auf Fachleute, nie besserwisserisch, sondern sachdienlich. Für einen Comicfan mag manche Textpassage etwas langatmig geraten sein, aber das ist im jeweiligen Zusammenhang stets gut begründet. Natürlich könnten solche Theorieverweise langweilig werden, aber eine Graphic Novel wird neben dem Text von den Zeichnungen getragen. Liv Strömquists grafische Sprache ist packend, zumal sich diese in Nuancen mit jedem der sieben Kapitel und der einleitenden Influencer-Story ändert. Im hiesigen Buddhismus sind Comics, Mangas und Graphic Novels noch wenig beachtet, obwohl es großartige Beispiele gibt, etwa das leider vergriffene vierbändige Manga über das Leben von Ikkyu, den Zen-Meister und Dichter. Liv Strömquists neues Buch zeigt: Ein gelegentlicher Blick in die Welt der Graphic Novels lohnt sich sehr.