Was werde ich der Zukunft schenken?

Ein Interview mit Beate Aldag geführt von Redaktion BUDDHISMUS aktuell veröffentlicht in der 2/2024 Krieg und Frieden unter der Rubrik Aktuell.

Die Praxis der Großzügigkeit gehört zum Grundbestand aller buddhistischen Traditionen. Ein Gespräch mit der Zen-Praktizierenden Beate Aldag, neue Spendenbeauftrage der Deutschen Buddhistischen Union (DBU).

BUDDHISMUS aktuell: Als Spendenbeauftragte wendest du dich mit der Bitte um Spenden an die Öffentlichkeit. Zu welcher Haltung möchtest du inspirieren?

Beate Aldag: Indem ich zur Großzügigkeit und zum Spenden aufrufe, verbinde ich sowohl mich persönlich wie auch die Menschen, die ich anspreche, mit einer zentralen buddhistischen Praxis aller Traditionen – den Vier Unermesslichen, auch Brahmaviharas genannt. Das Wunderbare ist: Unsere Praxis der Großzügigkeit lässt uns in gewisser Weise selbst zu dem Anliegen werden, das wir unterstützen. Wir wachsen, indem wir großzügig sind, über uns selbst hinaus und verbinden uns mit dem größeren Ganzen. Das tiefe Verständnis unserer wechselseitigen Verbundenheit steht im Zentrum dieser Praxis, und es hebt hervor, was uns miteinander verbindet, anstatt zu betonen, was uns trennt – eine Perspektive, die in unserer Gesellschaft leider oft vernachlässigt wird. Wer dieses tiefe Verständnis von Verbundenheit in seinem Herzen trägt, findet hier die Motivation, nicht länger Ressourcen zu verschwenden und sich dem Mitgefühl nicht zu verschließen

Eine weitere Quelle der Großzügigkeit liegt in der Dankbarkeit: Wenn ich mir bewusst mache, welchen immensen Beitrag die buddhistische Praxis, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft sowie meine Zen-Lehrerin und mein Zen-Lehrer zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen haben, entsteht in mir der Wunsch, auch anderen Menschen solche bereichernden Erfahrungen zu ermöglichen. Dann möchte ich natürlicherweise dazu beitragen, dass die Lehren und das Wissen nicht nur für meine Generation, sondern auch für kommende Generationen bewahrt und ihnen weitergegeben werden. Selbst für diejenigen, die noch nicht geboren sind, möchte ich die Möglichkeit schaffen, die Praxis zu entdecken und von ihr zu profitieren.

Mit einem jährlichen Spendenbrief machst du auf wichtige Projekte und Aufgaben des Dachverbands aufmerksam. Welche Projekte sind das derzeit?

Das erste Projekt ist unsere Jugendarbeit. Das Sommercamp 2024 der Jungen Buddhistischen Union (JBU) steht unter der Leitfrage „Im Einklang leben – Was bedeutet das für mich?“. Um diese Veranstaltung auf Spendenbasis für die Teilnehmenden zu ermöglichen, streben wir an, ein Budget in Höhe von 10 000 Euro bereitzustellen.

Das zweite Projekt ist das buddhistische Bildungsangebot „bhavana – Buddhismus in seiner Vielfalt“. Dort gibt es spannende Entwicklungen: Die Reihe „Was ist Geist“ befasst sich 2024 mit den Themen Resilienz, Verzicht sowie non-duales Bewusstsein und Ethik. In einem weiteren Zweig geht es um Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer. Für dieses Projekt haben wir ein Budget von 30 000 Euro vorgesehen.

Das dritte Projekt ist die buddhistische Seelsorge in Deutschland. Deren Ziel ist es, ein Netzwerk aktiver Buddhistinnen und Buddhisten zu etablieren, sie in einen dialogischen Austausch zu bringen und künftig regionale Angebote für Menschen in schwierigen Lebenslagen zu schaffen. Für diese wichtige Initiative haben wir ebenfalls ein Budget von 30 000 Euro vorgesehen.

Kann man auch für andere Vorhaben der DBU spenden, also sagen wir für den interreligiösen Dialog oder die Ethikarbeit? Oder kann man umgekehrt die Arbeit der DBU insgesamt mit einer Spende unterstützen?

Selbstverständlich, auch da bin ich gerne Ansprechpartnerin. Ungebundene Spenden sind für uns besonders wertvoll, da sie uns die nötige Flexibilität geben. Über die Protokolle unserer Mitgliederversammlungen und Finanzberichte wird transparent, auf welche Weise die DBU ihre finanziellen Möglichkeiten einsetzt. Außerdem hat die DBU in einem umfassenden Leitbild festgelegt, in welchen Bereichen sie sich, basierend auf buddhistischen Werten und Perspektiven, engagiert. Weitere Informationen über unsere Arbeit finden sich auch auf unserer Webseite buddhismus-deutschland.de.

Eine ganz besondere Art der Zuwendung ist die Nachlassspende. Kannst du dazu etwas sagen?

Eine testamentarische Zuwendung eröffnet die Perspektive, dass sogar der Akt unseres Sterbens noch einen nachhaltig positiven Einfluss haben kann. Wir belassen es aber nicht bei bloßen Wünschen, sondern unternehmen konkrete Schritte, um diese positive Wirkung in die Realität umzusetzen. Eine solche testamentarische Spende an eine Organisation, über deren Wert man gründlich nachgedacht hat, ist eine bewundernswerte Entscheidung! Dabei sind auch rechtliche Aspekte zu beachten, über die ich gerne mit den Personen spreche, die ein Testament zugunsten der DBU aufsetzen möchten. Es ist wichtig, zu bedenken, dass es möglicherweise gesetzliche Erben gibt, deren Rechte natürlich bedacht werden müssen. Bei Bedarf würden wir auch einen Fachanwalt für Erbrecht hinzuziehen, um sicherzustellen, dass ein solcher Schritt bestmöglich gestaltet wird.

So ganz leicht ist es ja nicht, sich mit dem eigenen Nachlass zu befassen, denn das bedeutet, die eigene Sterblichkeit in den Blick zu nehmen. Lieber sage ich mir vielleicht: Als Buddhistin lebe ich im Moment und grüble nicht über morgen.

Vor vielen Jahren, als das Thema saurer Regen und Waldsterben allgegenwärtig war, äußerte mein Zen-Lehrer eine bedeutsame Weisheit: „Manchmal sollten wir uns Gedanken über den sauren Regen im Wald machen. Und manchmal sollten wir einfach durch den Wald gehen und ihn genießen.“ Diese Worte verdeutlichen, dass es Zeiten gibt, in denen wir den Tag von Moment zu Moment schätzen müssen. Gleichzeitig sind da auch Momente, in denen wir uns um praktische Angelegenheiten wie Rechnungen, Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen kümmern müssen.

Obwohl die meisten von uns schon als Kinder die Vergänglichkeit des Lebens begreifen, investieren wir im Verlauf unseres Daseins beträchtliche Energie darauf, uns einzureden, dass unsere Gesundheit und Munterkeit dauerhaft sein könnten. Wenn wir plötzlich mit Krankheit, Sterben und Tod konfrontiert werden, trifft uns die Realität dann umso schmerzhafter. Vor Kurzem erlebte meine Familie einen Sterbefall, und ich konnte beobachten, wie schwer es für einige Familienmitglieder war, das immense Leiden anzuerkennen oder auch nur zuzulassen. Sie wollten nicht wahrhaben, dass sich ein geliebter Mensch auf dem Weg in den Tod befand.

Ich schreibe meiner buddhistischen Praxis zu, dass ich in dieser schwierigen Situation das Leiden sowohl ansprechen als auch aushalten konnte. Das frühzeitige Klären von Angelegenheiten, das bewusste Annehmen der Realität – das kann eine Frucht der buddhistischen Praxis sein. Wer sich rechtzeitig mit seinen Angelegenheiten auseinandersetzt, bereitet sich vor und mindert damit einen Teil des Schreckens, den die Sterblichkeit mit sich bringt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Beate Aldag

Beate Aldag ist seit über drei Jahrzehnten Laienschülerin von Zentatsu Baker Roshi und gehört zu den Gründungsmitgliedern des Zen Buddhistischen Zentrums Schwarzwald, wo sie zeitweise lebt und dessen Geschäftsführerin sie ist. Dort hat sie viele Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Spendenaufrufen und der Betreuung von Mitgliedern gesammelt. Ihr beruflicher Hintergrund ist der klassische Tanz; später hat sie als Yogalehrerin gearbeitet.

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