Mitgefühl in Aktion – die Projekte von Karuna-Shechen

Ein Beitrag von Wiebke Westphal veröffentlicht in der Ausgabe 2015/4 Handeln, Nicht-Handeln unter der Rubrik Aktuell.

Mangelernährung, Analphabetismus, fehlender Zugang zu Bildung, mangelnde Hygiene – in Nepal, Indien und Tibet sind diese Probleme in vielen Regionen auch heute noch allgegenwärtig. Karuna-Shechen, eine im Jahr 2000 gegründete gemeinnützige Organisation, hilft in allen drei Ländern vor Ort – mit konkreten Projekten und Kursen. Gegründet wurde sie von dem buddhistischen Mönch Matthieu Ricard und Shechen Rabjam Rinpoche, Enkel und spiritueller Nachfolger von Dilgo Kyentse Rinpoche.

Shechen Klinik in Nepal | © karuna-shechen.org

KARUNA-SHECHEN IST IN VIER BEREICHEN ENGAGIERT:

Gesundheitsversorgung

In Kursen erfahren die Menschen der Regionen alles über sauberes Trinkwasser, Sanitäranlagen, wichtige Hygieneregelungen, Impfschutz und Schwangerschaft. Zur Behandlung bereits bestehender Gesundheitsprobleme wurden Kliniken, stationär und mobil, gegründet, etwa in Bodhgaya (Indien) und Kathmandu (Nepal). Behandelt wurden dort allein 2013 über 51 000 Menschen.

Eines der großen Probleme stellt die Mangelernährung da: Allein in Indien sind 80 Prozent der Kinder unter 5 Jahren und 68 Prozent der Frauen unter 50 Jahren mangelernährt. Um dem entgegenzuwirken, haben die Verantwortlichen ein besonderes Projekt initiiert: Tausende Haushalte wurden mit Küchengärten ausgestattet, in denen Kräuter und verschiedene Gemüse angebaut werden. Die Hälfte der Ernte wird als Eigenbedarf einbehalten, die andere Hälfte auf Märkten verkauft, wovon 20 Prozent der Einnahmen wiederum in Wohlfahrtsprojekte der Gemeinde zurückfließen. Gemeinschaften können so im Zusammenwirken der Familien die Armut überwinden – davon sind die Mitarbeiter überzeugt.

Neben der Mangelernährung haben in Indien 50 Prozent der Bevölkerung (595 Millionen Menschen) keinen Zugang zu Sanitäranlagen. Stattdessen verrichten die Menschen ihre Geschäfte im Freien – auf Feldern, in Büschen und Flüssen. Gerade für Frauen stellt das aber ein massives Problem dar. Immer wieder kommt es dabei zu Vergewaltigungen und gewalttätigen Übergriffen. In den vier Partnerdörfern Banahi, Bhupnagar, Kadal und Chando wurden deshalb im letzten Jahr Projekte zum Bau von Toiletten initiiert, um Frauen besser zu schützen und die hygienischen Zustände zu verbessern.

Mobile Klinik | © karuna-shechen.org

Bildung

Nicht alle Kinder haben Zugang zu Bildung, vor allem, wenn sie Waisen sind oder aus zerrütteten Familien kommen. Um sie zu unterstützen, vergibt Karuna-Shechen Stipendien. Doch viele Schulen verfügen nur über veraltete Unterrichtsmaterialien und haben teilweise weder über Dächer noch Tische oder Stühle. Die Organisation hat aus diesem Grund ein Programm zur Stärkung einer grundlegenden Bildung ins Leben gerufen. Im letzten Jahr wurden beispielsweise in Nepal acht Bambus-Schulen in Zusammenarbeit mit der lokalen Organisation Samata Siksha Niketan errichtet. Außerdem werden Weiterbildungen in Form von Kursen im Kerzenziehen angeboten, aktuelle Lehrmaterialien verteilt und Lehrer eingestellt.

Schule in Nepal | © karuna-shechen.org
© karuna-shechen.org

Soziale Projekte

Karuna-Shechen setzt sich stark für die Gleichstellung von Frauen ein. Aus diesem Grund erhielten 2013 488 Frauen, die nicht lesen konnten, weil sie zum Beispiel durch frühe Ehen nie Zugang zu Bildung erhalten hatten, in 16 Dörfern im Gaya District im indischen Bihar die Möglichkeit, an entsprechenden Kursen teilzunehmen. Frauen erhalten außerdem verstärkt Weiterbildungsmöglichkeiten. Dabei setzt Karuna-Shechen auf Nachhaltigkeit und die Unterstützung der Gemeinden: Etliche Frauen erhielten in den vergangenen Jahren die Möglichkeit, sich als Solaringenieurinnen an Colleges ausbilden zu lassen. Das neugewonnene Wissen setzen sie in ihren Gemeinden zum Bau von Solaranlagen ein. Gleichzeitig wird so auch die Stromversorgung der Regionen verbessert.

Eingeführt wurde auch ein Regenwassersammelsystem. Dabei wird das Regenwasser auf Dächern gesammelt, in Wassertanks gelagert und schließlich zum Waschen, für Sanitäranlagen und Küchengeräte nutzbar gemacht. Verantwortung sollen die Bewohner dabei aber nicht nur für sich übernehmen, sondern auch für ihre Nachbarn. Das gemeinsame Anlegen von Brunnen, Seen, Dämmen, Bädern für Frauen und Ähnliches hilft dabei und stärkt gleichzeitig die Unabhängigkeit der Region.

Ein weiteres Projekt umfasst die Ausbildung von Frauen zu Rikschafahrerinnen. Die erste, die diesen Weg hinter sich hat, ist Sugiya Devi aus Bodhgaya, wo beinahe die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Mit ihrer neuen Arbeit kann Sugiya ihre Kinder und sich ernähren und hat neuen Lebensmut gewonnen. Möglich wurde das Pilotprojekt durch eine Crowdfunding-Kampagne, durch die etwa 9000 Dollar gesammelt wurden. Drei weitere Frauen werden in diesem Jahr Sugiyas Beispiel folgen können.

© karuna-shechen.org

Finanzierung

In den kommenden Jahren soll das allgemeine Angebot in allen Regionen weiter ausgebaut werden. Abhängig ist Karuna-Shechen dabei von den großzügigen Spenden (im Schnitt 1452 690 Dollar pro Jahr) vieler Unterstützer. Unterstützt wird die Organisation außerdem weltweit von Fundraisingpartnern, wie der Shining Hope Foundation aus England, die Projekte für Kinderbetreuung in Indien unterstützt. Vor Ort arbeitet Karuna-Shechen eng mit lokalen Organisationen zusammen, etwa der Nari Bikash Sangh in Nepal, die arme und unterprivilegierte Frauen unterstützt, oder Dhad Disham Vikas Sangh in Indien, die sich der Verbesserung der Lebensgrundlage der Bevölkerung in Ost-Singhbhum verschrieben hat.

VISION

Motiviert durch Mitgefühl (karuna) in Aktion, sind wir davon überzeugt, dass niemandem der Zugang zu grundlegender Bildung, sozialen Diensten und Gesundheitsversorgung verwehrt sein sollte. Wir glauben, dass Gemeinden Armut über winden können, dass Veränderung möglich ist und dass Menschen wertvoll sind.

MISSION

Unsere Mission ist die Bereitstellung einer Gesundheitsversorgung, von Bildung und sozialen Diensten für Einzelpersonen, Familien und die ärmsten Gemeinden in Tibet, Nepal und Indien. Wir legen besonderes Augenmerk auf die Ermächtigung von Frauen und jungen Mädchen sowie die Erhaltung des kulturellen Erbes.

KERNWERTE

Aktives Mitgefühl: Wir dienen anderen mit Freude und Hingabe durch die Kultivierung von Altruismus in unseren Herzen und Handlungen.

Zusammenarbeit: Wir arbeiten mit lokalen Partnern zusammen, um unsere Mission mit Kompetenz und Integrität zu verfolgen.

Respekt: Wir sind davon überzeugt, dass jedes Individuum, ganz gleich welcher Rasse, Klasse, Kaste und welchen Geschlechtes, wichtig ist. Wir respektieren die Menschen, die wir unterstützen, und arbeiten mit ihnen zusammen, um dauerhafte Lösungen für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu finden.

Weitere Informationen finden Sie unter karuna-shechen.org