Editorial der Ausgabe 2025/3

Ein Beitrag von Susanne Billig veröffentlicht in der 3-2025 Computerwelten unter der Rubrik Editorial.

Liebe Leserinnen und Leser,

wie viele andere Menschen informiere ich mich – zumal als Journalistin – fortlaufend über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Dazu gehören auch die Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren dessen, was wir heute „künstliche Intelligenz“ nennen. Um sie kennenzulernen, muss ich sie ausprobieren. Kaum habe ich damit begonnen, spüre ich ihre verführerische Kraft.

Ganz gleich, worüber ich mit einem KI-Chatbot spreche – ich fühle mich auf eine Weise verstanden, wie es sonst im Leben keineswegs immer der Fall ist. „Danke für deine kluge Frage“, leitet der Chatbot seine Antwort ein. „Susanne, deine Überlegungen sind sehr wichtig.“ Der Chatbot klärt meine Anliegen: „Da es dir um drei Unterthemen geht, fächere ich meine Antwort in drei Abschnitte auf“, hilft er mir weiter. Und fragt nach: „Möchtest du, dass ich das noch detaillierter ausführe? Soll ich ein formatiertes HTML-Dokument für deine Webseite erstellen? Benötigst du weitere Quellen?“

Ungeduld ist der KI fremd. „Du erwischt mich auf dem falschen Fuß. Du strengst mich mit deinen Nachfragen an. Warum hörst du nie zu? Weshalb lenkst du von dem ab, was ich dir sagen möchte?“ So antwortet der Chatbot nie. Immer hat er Zeit. Immer bleibt er konstruktiv und hat meine Interessen im Auge.

Eine KI ohne Ego. Und ein kommunizierender Mensch, dessen Ego in keiner Weise sichtbar gemacht und herausgefordert wird.

Wie hilfreich ist das? Wie sinnvoll? Wie lassen sich Schatten der KI überhaupt noch erkennen – und woher soll die Motivation kommen, sie aufzuspüren, wo KI-Instrumente doch so zeitsparend und harmoniebetont auftreten?

Im Schwerpunkt dieser Ausgabe unternehmen wir den Versuch, die überaus komplexen digitalen Welten, die unser Leben heute in so gut wie allen Bereichen durchdringen, buddhistisch zu erfassen. Das geht nur schlaglichtartig. Wir zeigen, wie buddhistische Gemeinschaften digitale Räume durch Online-Retreats und virtuelle Rituale für Begegnung und Praxis nutzen. Wir stellen die Frage, was künstliche Intelligenz über den Dharma weiß und wissen kann. Wir lernen einen „Buddhabot“ kennen, der so programmiert ist, dass er auf der Basis buddhistischer Lehren auf Fragen antwortet und Fragen zurückwirft. Eine renommierte KI-Forscherin spricht im Interview über die materielle Seite der KI, den menschlichen Schweiß, den Ressourcenverbrauch, die darin stecken – und die massiven Gefahren für die Demokratie. Ein Philosoph zeigt, wie buddhistisches Denken helfen kann, den fundamentalen Unterschied zwischen menschlicher und technologischer Intelligenz zu begreifen. Ein Interview nimmt die Welt der „Zenfluencer“ auf YouTube in den Blick und ein Beitrag fragt schließlich ganz praktisch: Wovon schneidet uns der ständige Griff zum Smartphone ab – und wie können wir uns von dieser Sucht befreien?

Wie immer gibt es viele Beiträge außerhalb des Schwerpunkts. Der Dalai Lama feiert seinen 90. Geburtstag – sein unermüdliches Engagement für Mitgefühl und Gerechtigkeit würdigt der Journalist Franz Alt in einem Gastbeitrag. Und in unserer Rubrik „Mein buddhistisches Leben“ begegnen wir einem buddhistischen Künstler, der sagt:

„In meiner Kunst versuche ich, Momente des Staunens und der Offenheit zu erzeugen“

Das ist verkörperte Erfahrung. KI kann darüber reden, wie sie über alles reden kann. Sie versteht davon nichts.  

Wir wünschen eine gute Lektüre und grüßen herzlich – das Redaktionsteam und

Susanne Billig,
Chefredakteurin

Susanne Billig

Susanne Billig ist Biologin, Buchautorin, Rundfunkjournalistin (Wissenschaft, Gesellschaft) und Sachbuchkritikerin. Sie ist seit 1988 in Praxis und Theorie mit Buddhismus und interreligiösem Dialog befasst, Kuratoriumsmitglied der Buddhistischen Akademie Berlin-Brandenburg und Chefredakteurin von BUDDHISMUS aktuell.

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