Editorial der Ausgabe 2024/4
Liebe Leserinnen und Leser,
seit vielen Jahren gehe ich so gut wie jeden Samstag bei Wind und Wetter mit einer Freundin wandern. Nach dreißig, vierzig Minuten der Begrüßungsupdates lassen wir unser Gespräch verebben und in den Stunden danach schweigen wir.
Es liegt ein besonderer Zauber darin, unterwegs und gleichzeitig still zu sein. Wir lauschen, beobachten, bleiben stehen, warten aufeinander, Blickkontakte brauchen wir nicht. Auf der Erde tanzen Sonnenflecken, Rehe beobachten uns aus dem Dickicht, der Duft wilder Blüten liegt in der Luft, hoch oben die hellen Rufe der Greifvögel, Rede und Gegenrede, Frage und Antwort.
DENN DIE FREUDE, DIE WIR GEBEN – Großzügigkeit ist eine grundlegende buddhistische Praxis.
Die BA-Redaktion bemüht sich täglich darum, buddhistische Wortmeldungen und Texte aus allen Traditionen sowohl aus Deutschland wie weltweit wahrzunehmen, zusammenzutragen und für diese Webseiten, auf den Sozialen Medien und in der Print-Ausgabe aufzubereiten und weiterzugeben.
Unser digitales Angebot ist zu einem großen Teil kostenfrei – doch uns kostet es sehr viel Geld. Darum sind wir auf Ihre SPENDE, auf deine GROßZÜGIGKEIT angewiesen – und gerne auch auf ein ABONNEMENT, das uns wertvolle Planungssicherheit liefert.
Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück.
Vielen Dank!
Unterwegs sein heißt lebendig bleiben, sich bewegen, immer wieder neu hinschauen, sich verbinden und Anteil nehmen, die eigenen Wahrnehmungsprozesse bedenken, Abgrenzungen, Verschmelzungssehnsüchte. Immer öfter führen uns unsere Wege über die verdorrten Böden der Buchenwälder nördlich von Berlin, Staub unter den Füßen, wo feuchte Erde sein sollte. Wir klettern über sturmgefällte Baumriesen, deren Wurzeln sich nicht mehr im trockenen Boden halten konnten. Einige Jahre werden sie noch Blätter austreiben, dann werden viele von ihnen sterben. Manchmal geraten wir in weiträumige trockengefallene Kuhlen, überqueren das rissige Erdreich und erinnern uns: Hier lag doch ein Waldsee, das ist noch nicht lange her. In Brandenburg ächzt die Natur, sie durstet. Wir werden weiter wandern, haben wir uns vorgenommen, solange uns das möglich ist, werden Zeuginnen dessen bleiben, was geschieht. Das Unterwegssein gehört zu den Grunderfahrungen eines jeden Menschen. Durch die Welt wandern, durch Lebensjahre und Lebensphasen, Erfahrungsräume, mit anderen zusammen und allein. Die Perspektive formt die Reflexion.
Wir sind heimatlose Wanderer, erklärt die Theravada-Nonne Ayya Vimalanyani in ihrem Beitrag für diese Ausgabe. Ein Jahr lang hat sie in Australien als Wandernonne verbracht und erzählt von dieser Praxis, die nur ein Ziel hat: die vollständige Befreiung des Geistes. Auch unser Autor Eberhard Kügler war unterwegs – zwischen verschiedenen Religionen. Konversionen seien, recht verstanden, Reisen ins Offene, betont er. Ein verwandtes Thema beschäftigt Ursula Richard in ihrem Essay, in dem sie fragt: Sind die religiösen Sprachen letztlich nicht nur ein Stammeln angesichts einer nicht begreifbaren Wirklichkeit? Ein ganz erstaunlicher Reisender, dessen Aufgabe es geworden ist, Menschen in Ritualen durch eben ihre Wirklichkeiten und Schwierigkeiten zu begleiten, begegnet uns in dem chinesischen buddhistischen Mönch Xuanzang. Im Jahr 629 unternahm er die weite Reise von China nach Indien und kehrte 17 Jahre später, beladen mit buddhistischen Schriften, wieder in die chinesische Hauptstadt zurück. Doch nach seinem Tod reiste er weiter, indem er zu einer Legende wurde, einem Volkshelden im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Noch heute feiern Comics und Computerspiele seine Abenteuer. Der Kulturwissenschaftler Bejamin Brose hat die komplexen kulturellen Reisen des berühmten Xuanzang erforscht und berichtet davon im Gespräch. Ebenfalls auf einer Reise befindet sich unsere neue Redakteurin Sarina Hassine, die wir auf diesem Wege herzlich im Team begrüßen. In ihrem Essay schreibt sie über Elternschaft als ein Unterwegssein in wechselnden Unsicherheiten und Herausforderungen. Glücklicherweise, so sagt sie, haben Eltern die perfekten Reisebegleiter schon mit an Bord: ihre eigenen Kinder. „Kinder sind von Natur aus neugierig, vertrauensvoll, lernbegabt, unendlich nachsichtig, verzeihend, ehrlich, humorvoll und voller bedingungsloser Liebe. Wenn Erwachsene dieses Geschenk annehmen, dürfen sie selbst auch noch einmal neu anfangen, dürfen spielen, entdecken, fühlen und heilen.“
Haben auch Sie eine gute Reise, mit dieser Lektüre und sowieso. Herzlich grüßen das Redaktionsteam und
Susanne Billig,
Chefredakteurin
Susanne Billig
Susanne Billig ist Biologin, Buchautorin, Rundfunkjournalistin (Wissenschaft, Gesellschaft) und Sachbuchkritikerin. Sie ist seit 1988 in Praxis und Theorie mit Buddhismus und interreligiösem Dialog befasst, Kuratoriumsmitglied der Buddhistischen Akademie Berlin-Brandenburg und Chefredakteurin von BUDDHISMUS aktuell.