Editorial der Ausgabe 2022/4

Ein Beitrag von Susanne Billig veröffentlicht in der Ausgabe 2022/4 Leben mit dem Tod unter der Rubrik Editorial.

„Leben mit dem Tod“ ist ein Thema, das zur DNA des Buddhismus gehört, schreibt Susanne Billig im Editorial der gleichnamigen neuen Ausgabe von BUDDHISMUS aktuell. Die Auseinandersetzung mit ständiger Veränderung, Vergänglichkeit, der eigenen Sterblichkeit – damit werden alle konfrontiert, die sich auf den buddhistischen Weg einlassen. Das Spektrum, das die Autorinnen und Autoren eröffnen, reicht von buddhistischer Sterbe- und Trauerbegleitung über den Umgang mit sterbenden Haustieren bis hin zur harten und brutalen Wirklichkeit der jüngsten Hinrichtungen in Myanmar.

Liebe Leserinnen und Leser,

ein weiser Umgang mit Sterben und Tod gehört zur DNA des Buddhismus – und alle, die sich auf den buddhistischen Weg machen, werden damit konfrontiert: Setz dich mit der Vergänglichkeit auseinander. Mit deiner Sterblichkeit. Nichts ist ewig, nichts ist beständig, nichts bleibt dir für immer, nichts ist überhaupt das, was es scheint, wenn es dir als „etwas“ und fest erscheint. Setz dich mit der Frage der Wiedergeburt auseinander und damit, was der Begriff Karma bedeutet, in der buddhistischen Überlieferung, für dich persönlich.

Wenn sich buddhistische Gemeinschaften engagieren, dann häufig in der Sterbe- und Trauerbegleitung. Umfassende Vergänglichkeit stellt eine so zentrale Erfahrung in der buddhistischen Ausübung dar, dass wir wohl die Scheu verlieren, die viele in unserer Gesellschaft im Umgang mit Sterben und Tod überkommt. Und dann können wir lernen, über die Vergänglichkeit wie über eine Brücke in eine ganz neue Sicht des Lebens und der Phänomene der Welt zu gehen.

Viele Beiträge im Schwerpunkt dieser Ausgabe loten diese sich eröffnende Sicht in der einen oder anderen Weise aus, zum Beispiel Frank Ostaseski in seinem Text „Wandlungskraft des Todes“. Der Pionier der buddhistischen Sterbe- und Trauerbegleitung hat in den vergangenen Jahren mit mehreren Tausend Menschen an der Schwelle des Todes gesessen und Wachstum, Präsenz, Intimität mit dem Lebendigen mit ihnen erfahren. Oder die Tierärztinnen Frigga Wiese und Simone Schleich: Wenn Haustiere alt sind und sterben, werden sie oft vorschnell eingeschläfert, sagen die beiden und ermutigen zu mehr palliativer Versorgung, damit Tiere auf natürliche Weise aus diesem Leben scheiden können. Menschen, die sie begleiten, erleben mit ihrem Hund, ihrer Katze dann manchmal ganz erstaunliche Momente der Öffnung und Weite. Ja, der Kontrollverlust in Lebenskrisen kann uns plötzlich in einen neuen Erfahrungsmodus katapultieren, arbeitet Pema Khandro Rinpoche in ihrem Essay heraus. Was wir da kennenlernen, sei nichts weniger als der Grund der Wirklichkeit. Sie spricht vom „Aufbrechen im Bardo“.

Weite, Öffnung, Grund der Wirklichkeit – mitten in die Vorbereitungen zu dieser Ausgabe platzten am 25. Juli erschütternde neue Nachrichten aus Myanmar: die ersten Hinrichtungen seit mehr als dreißig Jahren. Hinweise auf Folter. Am Boden zerstörte Hinterbliebene. 

Sterben und Tod.

Da zeigte sich das Thema von seiner dunklen und brutalen Seite. Und die gehört auch zur Wirklichkeit. Einmal mehr wurde offensichtlich, dass alles das nicht selbstverständlich ist: unter bestmöglichen Umständen sterben können. Andere mitfühlend im Übergang begleiten. Getragen von guten Gemeinschaften und guten Dharmalehrenden Kontrollverlust anbahnen und zulassen. Im Bardo aufbrechen dürfen. Das braucht Frieden. Ruhe. Zeit. Freiheit von Unterdrückung und Armut. Sich als Buddhistin und Buddhist für gute Umstände starkmachen und lernen, den eigenen Geist zu betrachten und zu zähmen, engagierter Buddhismus also und Buddhismus – sie lassen sich nicht auseinanderdividieren.

Einige Worte noch in eigener Sache: Mit dieser Ausgabe gibt Traudel Reiß nach vielen, vielen Jahren den Bereich Rezensionen ab. Sie wird also künftig nicht mehr Ansprechperson für Hinweise auf neue Bücher oder für Rezensionsangebote sein. Wir möchten uns als BA-Team und als Deutsche Buddhistische Union ganz herzlich für ihre langjährige, zuverlässige Betreuung des Ressorts bedanken, für die große Geduld, mit der sie Monat um Monat Neuerscheinungen gesichtet, Rezensionen vergeben und geschrieben, Texte lektoriert und die Webseiten der Zeitschrift mit vielen hilfreichen Buchhinweisen bereichert hat. Von Herzen Dank, liebe Traudel! Natürlich hat sie auch einen Nachfolger: Der Journalist und Zen-Praktizierende Georg Patzer gehört nun zum BA-Team und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.

Herzlich grüßen Sie das Team von
BUDDHISMUS aktuell und Ihre

Susanne Billig,
Chefredakteurin

Susanne Billig

Susanne Billig ist Biologin, Buchautorin, Rundfunkjournalistin (Wissenschaft, Gesellschaft) und Sachbuchkritikerin. Sie ist seit 1988 in Praxis und Theorie mit Buddhismus und interreligiösem Dialog befasst, Kuratoriumsmitglied der Buddhistischen Akademie Berlin-Brandenburg und Chefredakteurin von BUDDHISMUS aktuell.

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