Editorial der Ausgabe 2020/3

Ein Beitrag von Susanne Billig veröffentlicht in der Ausgabe 2020/3 Transformation unter der Rubrik Editorial.

Transformation ist der Schwerpunkt der neuen Ausgabe von BUDDHISMUS aktuell, in der auch das Thema Coronakrise unvermeidlich eine Rolle spielt. Erschütterndes hat die Krise mit sich gebracht und „zur gleichen Zeit: so viel Nachbarschaftshilfe. So viel Kreativität. Nachdenklichkeit. Das Glück der Pause. Delfine vor Venedig. Visionen für einen ökologisch-sozialen Umbau der Gesellschaft mitten aus der Krise heraus.“ schreibt Susanne Billig in ihrem Editorial. Die Aufgaben, die die Pandemie an uns stellt und ihre Möglichkeiten haben eine große Nähe zum Schwerpunktthema und werden in mehreren Beiträgen berührt. Es geht um persönliche und gesellschaftliche Transformation, um die unveränderliche Essenz des Buddhismus genauso wie um Transformationsdebatten in einem Kloster und um einen veränderten Blick auf unsere Mitwesen, die Tiere. Neben dem Schwerpunkt lesen Sie unter anderem über eine interreligiöse Reise, die Identität des Buddhismus in Europa und über den Sinn und Unsinn konventioneller Schulen. Die kleine Reihe „Achtsamkeit in Buddhas Lehre“ startet in dieser Ausgabe mit einem Beitrag von Peter Gäng.

Liebe Leserinnen und Leser,

eine Viruskrankheit verbreitet sich über den gesamten Erdball und löst unterschiedlichste Reaktionen und Erkenntnisse aus. Machthaber, die sich gern als Helden inszenieren, lassen ihre Bevölkerungen so umfassend im Stich, dass die Zahl der Erkrankten dort explodiert, besonders in armen Bevölkerungsschichten. In gewaltgeschüttelten, verarmten Ländern wie Nigeria grassiert das Virus in einer Weise ungehemmt in der breiten Bevölkerung, die Schlimmstes befürchten lässt. Das Elend der Schlachthöfe ergießt sich aus den abendlichen Fernsehbildschirmen in die Wohnzimmer. Demonstrierende gehen auf die Straße und nehmen ihr gutes Recht der öffentlichen Meinungsäußerung wahr. Doch es erschreckt die Aggression, mit der einige von ihnen sich gegen wissenschaftliche Sorgfalt, das Ringen um kluge Wege, den zeitweisen Verzicht auf gewohnte Lebensweisen zum Schutz gefährdeter Mitmenschen stellen. Und zur gleichen Zeit: so viel Nachbarschaftshilfe. So viel Kreativität. Nachdenklichkeit. Das Glück der Pause. Delfine vor Venedig. Visionen für einen ökologisch-sozialen Umbau der Gesellschaft mitten aus der Krise heraus. 

Es war nicht einfach, diese Ausgabe von BUDDHISMUS aktuell zu konzipieren. Mehrere Monate Vorlauf hat die Zeitschrift und wenn sie gedruckt ist – kann überhaupt noch jemand das Wort Corona hören? Gibt es den Impfstoff? Zieht das Virus sich im Sommer zurück? Wie hart treffen uns die Folgen der Rezession? Also wagen wir in dieser Zeitschrift den Spagat: Es geht um Corona – und um viele andere Themen. 

Was gibt es buddhistisch zu dieser Pandemie zu sagen, was führt sie uns vor Augen und wozu ruft sie uns auf? Vielstimmige Reflexionen bilden den Auftakt. Im Schwerpunkt geht es um „Transformation“. Etwa persönlich durch die Kraft der spirituellen Praxis – darüber sprechen wir mit dem buddhistischen Lehrer Dharmapriya. Anna Karolina Brychcy und Werner Heidenreich schreiben über die „transformierende Macht der Sprache“. Die Dharmalehrerin Sylvia Kolk erklärt, warum buddhistische Praxis und das Bemühen um gesellschaftliche Transformation zusammengehören. „Wir brauchen eine Kultur des Genug“, betont Manfred Folkers, Umweltaktivist und Achtsamkeitslehrer. Der tibetische Dharmalehrer Tsoknyi Rinpoche erläutert, worin die unveränderliche Essenz des Buddhismus besteht und welche Aspekte von Kultur zu Kultur wandelbar sind. Der Ethnologe David Sumerauer berichtet von Transformationsdebatten im größten buddhistischen Kloster außerhalb Asiens, dem Tassajara Zen Mountain Center in Kalifornien. Auf dem Hof „Lasst die Tiere leben“ praktiziert Elisabeth Schön eine Transformation, mit der sich die übrige Gesellschaft so unendlich schwertut: Für sie sind Tiere wertvolle Individuen. Die Buddhistin kauft sie vom Schlachter frei und lässt sie leben. 

Damit verlassen wir den Schwerpunkt und wandern in die Vielfalt weiterer Themen: Ein Auszug aus dem neuen Buch von Stephen Batchelor preist das Alleinsein. Nils Clausen berichtet von einer interreligiösen Reise nach Jerusalem. Ron Eichhorn, Präsident der Europäischen Buddhistischen Union, erläutert die ethischen Maximen seines Engagements. „Was Kinder interessiert, kommt in der Schule nicht vor“, erklärt Carl Polónyi in seinem Essay zum Sinn und Unsinn konventioneller Schulen. Mit einem Beitrag von Peter Gäng starten wie die kleine Reihe „Achtsamkeit in Buddhas Lehre“. 

Im Magazinteil dieser Ausgabe kehren wir, neben vielen anderen Nachrichten, noch einmal zu Corona zurück: Während viele Zentren auf Online-Angebote umschalten konnten, brechen buddhistischen Seminarhäusern die Einnahmen weg, weil sie keine Gäste aufnehmen können. Wir sagen Ihnen, wie Sie helfen und spenden können. 

Haben Sie viel Freude an dieser Ausgabe und bleiben Sie gesund, gut im Miteinander und gut allein, 

Susanne Billig,
Chefredakteurin

Susanne Billig

Susanne Billig ist Biologin, Buchautorin, Rundfunkjournalistin (Wissenschaft, Gesellschaft) und Sachbuchkritikerin. Sie ist seit 1988 in Praxis und Theorie mit Buddhismus und interreligiösem Dialog befasst, Kuratoriumsmitglied der Buddhistischen Akademie Berlin-Brandenburg und Chefredakteurin von BUDDHISMUS aktuell.

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