Die Quellen von säkularem Buddhismus

Ein Beitrag von Winton Higgins veröffentlicht in der Ausgabe 2014/2 Heilung und Transformation unter der Rubrik Buddhismus Heute. (Leseprobe)

Den Dharma in den kulturellen Begriffen und für unsere Zeit neu zu formulieren – das ist der Ausgangspunkt eines säkularen Buddhismus. Winton Higgins untersucht die Grundlagen und Perspektiven dieses Ansatzes und zeigt, dass sich damit auch die großen Vorläufer der modernen westlichen Kulturen neu erschließen lassen.

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Der Ausdruck „säkularer Buddhismus“, der erst in den letzten Jahren aufgetaucht ist, bezeichnet spontane Entwicklungen der letzten vier Jahrzehnte in buddhistischen Praxisgruppen und unter Lehrenden im Westen. Die meisten Buddhistinnen und Buddhisten in westlichen Ländern gehören asiatischen Diasporagemeinden an und bewahren die Praxis ihrer Herkunftsländer. Die zweitgrößte Gruppe Praktizierender besteht aus Menschen, die ethnisch dem Westen angehören und seit Langem bestehende asiatische Praxisformen mit den dazugehörigen Ritualen, Glaubensvorstellungen und Organisationskulturen (einschließlich diskriminierender Geschlechterverhältnisse, Hierarchien und autoritärer Denkweisen) angenommen oder nachgebildet haben. Zu dieser Gruppe gehören auch viele desillusionierte Christinnen und Christen auf der Suche nach einer alternativen Religion. Keine dieser Gruppierungen ist säkular.

Eine dritte Gruppe von Menschen, die im Westen Buddhismus praktizieren, formiert sich gerade. Ihr gehören jene an, die Praxisformen, Gemeinschaft und Gedanken entwickeln wollen, die mit ihrer eigenen Kultur und deren eher fortschrittlichen Werten in Einklang stehen – beginnend mit gesellschaftlicher Gleichstellung, dem Prinzip der Inklusion und demokratischer Selbstbestimmung. Es ist diese dritte Gruppe, die unter der Bezeichnung „säkularer Buddhismus“ Beachtung findet. In ihren Reihen finden sich vor allem Menschen, die bisher nicht religiös gebunden oder interessiert waren, darunter solche, deren Interesse am Buddhismus nach einer positiven Erfahrung mit achtsamkeitsbasierter Psychotherapie oder ähnlicher persönlicher Schulung entstanden ist. Viele von ihnen suchen nicht eine alternative Religion, sondern eine Alternative zu Religion.

In der Absicht, den Dharma in ihren eigenen kulturellen Begriffen und für ihre eigene Zeit neu zu formulieren, tun Menschen, die säkularen Buddhismus praktizieren, nicht mehr und nicht weniger als ihre Vorgänger in früheren Wirtsgesellschaften, als der Dharma sich von seinem alten Geburtsort in Indien auf andere Gesellschaften ausbreitete. Zum Beispiel: Als die Chinesen ihn vor zweitausend Jahren Schritt für Schritt für China adaptierten, machten sie die Praxis nicht nur für sich selbst zugänglich, sondern brachten auch verborgene Tiefen und Möglichkeiten im ursprünglichen Ausdruck des Dharma zum Vorschein, indem sie sie in Begriffen ihres eigenen reichen kulturellen Erbes herauskristallisierten.

ENDE DER LESEPROBE

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Winton Higgins

Winton Higgins, Dharma-Lehrer, Autor und Sozialwissenschaftler, lebt in Sydney, Australien. Er praktiziert den Dharma seit 27 Jahren und lehrt seit 19 Jahren Meditation. Heute neigt er dem säkularen Buddhismus zu. Wichtig ist ihm, der geistigen Verwandtschaft originaler Texte mit modernen Denkrichtungen und fortschrittlichem sozialen Engagement nachzuspüren.

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