Staatliche Anerkennung lässt weiter auf sich warten

Ein Beitrag von Volker Junge veröffentlicht in der Ausgabe 2019/3 jung & alt unter der Rubrik Aktuell.

Trotz intensiver Bemühungen fehlt den Behörden in Hamburg noch immer die Bereitschaft, den Buddhismus durch einen Staatsvertrag mit anderen Religionsgemeinschaften gleichzustellen. Ein aktueller Bericht von Volker Junge, Vorstandsmitglied der Buddhistischen Religionsgemeinschaft Hamburg und an dem Bemühen um die offizielle Gleichstellung des Buddhismus in Hamburg von Anfang an beteiligt.

Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends begann die Freie und Hansestadt Hamburg ihr Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften neu zu gestalten. Am 29.11.2005 wurden Staatsverträge mit der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Katholischen Kirche geschlossen. Am 20.6.2007 folgte ein Vertrag mit der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Am 13.11.2012 wurden Verträge mit muslimischen Verbänden geschlossen: ein Vertrag mit dem DITIB-Landesverband Hamburg, der SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg sowie dem Verband der Islamischen Kulturzentren und ein zweiter Vertrag mit der Alevitischen Gemeinde Deutschland. Die Verträge mit den Muslimen und Aleviten waren das Ergebnis eines 2006 begonnenen Prozesses und Vorreiter für ähnliche Verträge in anderen Bundesländern.

Daher schien es nur folgerichtig, nun auch entsprechende Verträge mit Buddhisten und Hindus zu schließen. Am 15.4.2014 trafen sich daher ein paar Hamburger Buddhistinnen und Buddhisten, um einen entsprechenden Prozess einzuleiten. Sie kontaktierten möglichst viele buddhistische und hinduistische Gruppen und Zentren und am 7.5.2014 gründete sich eine entsprechende Projektgruppe.

Triebfeder Religionsunterricht

Eine wesentliche Triebfeder war dabei der Religionsunterricht. Schon seit längerer Zeit versuchte die Evangelische Kirche, in ihrem „Religionsunterricht für alle“ (RUfa) auch andere Religionen zu integrieren. Buddhisten und Hindus haben ebenso wie Muslime und Aleviten an der Erstellung von Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien mitgewirkt. Mit den Verträgen mit Muslimen und Aleviten sollte der von der Evangelischen Kirche verantwortete Religionsunterricht nun in einen von den Vertragsparteien gemeinsam verantworteten Religionsunterricht für alle (RUfa 2.0) überführt werden. Buddhisten und Hindus waren nun „raus“.

Nach einjähriger Vorbereitung trafen sich schließlich am 5.5.2015 acht Vertreterinnen und Vertreter der „Interessengemeinschaft buddhistischer Zentren in Hamburg“ und neun Vertreterinnen und Vertreter des „Zentralrats der hinduistischen Gemeinschaften in Hamburg“ in der Hamburger Senatskanzlei mit dem damaligen Chef der Senatskanzlei, Staatsrat Christoph Krupp und dessen Referenten für Religionsangelegenheiten. Der Senatsvertreter sah für Verträge weder eine Notwendigkeit oder einen hinreichenden Grund noch einen geeigneten Vertragspartner. Allerdings sollten die Gespräche weitergeführt werden. Auch der Erste Bürgermeister Olaf Scholz drückte sich in einer Veranstaltung der Akademie der Weltreligionen am 22.10.2015 in diesem Sinne offen aus:

„Also die Frage, ob das für Sie ein Thema ist oder nicht, müssen Sie – wie alle anderen das jeweils für sich auch – selber bewegen und dann die Schritte gehen. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: Neutralität und Vorurteilsfreiheit in der Angelegenheit können Sie sicher immer voraussetzen.“

In einem Folgegespräch am 9.12.2015 ging es mit Vertretern der Senatskanzlei und der Schulbehörde um das Thema Religionsunterricht. Es wurde deutlich, dass zur gleichberechtigten Beteiligung ein formaler Antrag auf konfessionellen Religionsunterricht erforderlich ist.

Die buddhistische Lehre in ihrer gesamten Vielfalt einbringen

Aus Sicht der Hamburger Buddhistinnen und Buddhisten ging es immer darum, die buddhistische Lehre in ihrer gesamten Vielfalt in den Religionsunterricht einzubringen und nicht nur die Sichtweise einer einzelnen Tradition. Daher wurde die Möglichkeit, eine einzelne Gemeinschaft den Antrag auf Religionsunterricht stellen zu lassen, verworfen und stattdessen versucht, für die Gemeinschaft der Buddhistinnen und Buddhisten in Hamburg, die schon seit Jahren gemeinsam das Vesakhfest ausrichteten, die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Daher wurde am 6.5.2017 die Buddhistische Religionsgemeinschaft Hamburg e. V. (BRG Hamburg) als förmlicher Verein gegründet, ins Vereinsregister eingetragen und wegen der verfolgten religiösen Zwecke als steuerbegünstigt anerkannt.

Bereits am 9.5.2017 stellte die BRG Hamburg auch einen Antrag auf Religionsunterricht. Dieser ist bis heute (April 2019) nicht beschieden. Allerdings machte der neue Chef der Senatskanzlei, Staatsrat Jan Pörksen, in einem Gespräch am 4.12.2018 deutlich, dass er bei der BRG Hamburg einige notwendige Voraussetzungen für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes nicht gegeben sieht.

Bezweifelt wird die Gewähr der Dauer, obwohl mehrere Mitgliedsgemeinschaften bereits seit über 30 Jahren bestehen, die Buddhistische Gesellschaft Hamburg beispielsweise sogar seit über 60 Jahren. Bezweifelt wird auch ein „identitätsstiftendes Merkmal“ des Zusammenschlusses – gemeint ist ein religiöses, nicht nur organisatorisches Merkmal, das die BRG Hamburg aus der religiösen Tätigkeit der Mitgliedsgemeinschaften heraushebt. Weder der traditionsübergreifende ökumenische Ansatz noch das buddhistische Bekenntnis, das die BRG Hamburg von der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) übernommen hat, noch die Verantwortung für den Religionsunterricht einschließlich der Kompetenz zur Festlegung von Lehrplänen und Unterrichtsinhalten, die die BRG Hamburg anstelle der Mitgliedsgemeinschaften wahrnehmen möchte, wird als ausreichend angesehen. Erstaunlich ist dabei, dass Behördenvertreter einerseits stets betonen, sich jeglicher Beurteilung religiöser Sachverhalte zu enthalten, aber andererseits sehr wohl zu wissen glauben, dass die BRG Hamburg keine religiöse Funktion hat. Auch die Einholung eines religionswissenschaftlichen Gutachtens lehnen sie ab.

Die fehlende Bereitschaft, die Buddhistische Religionsgemeinschaft Hamburg mit den muslimischen und alevitischen Verbänden gleichzustellen, hat wohl auch mit der politischen Großwetterlage zu tun. Die staatlichen türkischen Einflüssen ausgesetzte DITIB und die Beteiligung führender Mitglieder muslimischer Gemeinden bei antiisraelischen/antisemitischen Demonstrationen bieten Anlässe, die von Hamburg geschlossenen Verträge infrage zu stellen. Bestrebungen zu ähnlichen Verträgen in anderen Bundesländern liegen auf Eis. Außerdem stößt das Konzept eines konfessionsübergreifenden „Religionsunterrichts für alle“, so sinnvoll er auch sein mag, an seine verfassungsrechtlichen Grenzen. In dieser Situation wäre die Einbeziehung der Buddhistinnen und Buddhisten und möglicherweise weiterer Religionen ein zusätzlicher Störfaktor.

Volker Junge

Volker Junge hat seit 1993 seine buddhistischen Wur- zeln sowohl im frühen als auch im tibetischen Buddhis-mus. Seine Hauptanliegen sind, die buddhistische Lehre in deutscher Sprache in Büchern und im Internet zugänglich zu machen, und die rechtliche Gleichstellung der Buddhistischen Religionsgemeinschaft mit anderen Religionsgemeinschaften in Hamburg.

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