Erste Bhikkhuni-Ordination in Deutschland und in Indonesien

Ein Beitrag von Traudel Reiß veröffentlicht in der Ausgabe 2015/4 Handeln, Nicht-Handeln unter der Rubrik Aktuell.
Auf dem Weg zum Ordinationsplatz in der Metta Vihara | © Jürgen Tressl

Am 21. Juni 2015 fand im Nonnenkloster Anenja Vihara im Allgäu die erste Bhikkhuni-Ordination der Theravada-Tradition in Deutschland und sogar zum ersten Mal in ganz Europa statt. Bhikkhuni bedeutet voll ordinierte buddhistische Nonne. Bedeutsam ist dieses Ereignis deshalb, weil der Orden der vollordinierten Nonnen im Theravada vor über tausend Jahren ausgestorben ist und auch in der tibetischen Tradition nicht existiert. Seit knapp 20 Jahren gibt es Bemühungen, vor allem in asiatischen Ländern, diesen Orden wiederzubeleben. Die Nonnen in Sri Lanka spielen dabei eine Vorreiterrolle, und dort gibt es mittlerweile wieder um die tausend Bhikkhunis. In Thailand geht dieser Prozess nur sehr zögerlich voran, was die Anzahl von etwa 80 Bhikkhunis widerspiegelt. In Burma bilden die Gegenkräfte eine zu starke Mehrheit, sodass es dort nicht möglich ist, Bhikkhuni zu werden.

Das Nonnenkloster Anenja Vihara steht in der Theravada-Tradition, wird von Bhikkhuni Sucinta, einer Deutschen, geleitet und steht vor allem westlichen Frauen offen. Ayya Sucinta erhielt 1998 die volle Ordination in Bodhgaya, Indien. Nach längeren Aufenthalten in Burma, den USA und Australien kam sie im März 2010 in die Anenja Vihara. Dies ist ein Kloster für das Training und die Praxis von Bhikkhunis in der Theravada-Tradition und folgt dem Dhamma-Vinaya, wie er im Sutta- und Vinaya-Pitaka des Pali-Kanons überliefert ist.

So wurden zur Zeremonie der vollen Ordination von Samaneri Dhira voll ordinierte Nonnen und Mönche mit der entsprechend notwendigen Anzahl an Ordinationsjahren eingeladen, aus den USA, aus Sri Lanka, der Schweiz und Deutschland. Ein besonderer Gast war Bhante Gunaratana aus der Bhavana Society in den USA, der trotz seines hohen Alters von 88 Jahren kam und als erfahrener Bhikkhu mit 67 Ordinationsjahren schon seit vielen Jahren Frauen und Nonnen dabei unterstützt, diesen Weg zu gehen. Wie im Vinaya festgelegt, wurde eine duale Ordination durchgeführt, am Vormittag durch die Bhikkhuni-Sangha in der Anenja Vihara und am Nachmittag durch die Bhikkhu-Sangha im buddhistischen Waldkloster der Theravada-Tradition Metta Vihara. Die Kandidatin stammt aus der Nähe des Klosters Anenja Vihara. Deshalb konnten viele ihrer Familienangehörigen durch ihre Anwesenheit bei der Zeremonie ihre Zustimmung zeigen und Unterstützung geben. Dem Buddha zufolge ist es besonders hilfreich, wenn sich die Sangha unter solchen Bedingungen gründen kann. Natürlich waren auch zahlreiche weitere Gäste angereist, um dieses besondere Ereignis mitzufeiern.

Am Vortag der Ordination hielt Bhikkhu Analayo einen Vortrag über die Legalität der Bhikkhuni-Ordination. Und die deutsche Übersetzung seiner Veröffentlichung mit dem Titel „Bhikkhuni-Ordination“ wurde zu diesem Anlass von der Buddhistischen Gesellschaft München auf Spendenbasis herausgegeben (Bestellung über bgm@buddhismus-muenchen.de). Das Buch enthält ebenfalls Untersuchungen zur Legalität der Bhikkhuni-Ordination, die aufzeigen, dass die Wiederbelebung des Bhikkhuni-Ordens unter voller Berücksichtigung des Theravada Vinaya legal möglich ist. Somit können Bhikkhunis volle Anerkennung als Mitglieder der Theravada-Tradition beanspruchen und ihre Ordination ist kein Grund für ein Schisma.

Die Bhikkhunis in der Meditationshalle des Nonnenklosters | © Anenja Vihara

Im Anschluss folgen Auszüge von Stellungnahmen der Hauptpersonen. Die frisch ordinierte Bhikkhuni Dhira äußerte sich so: „Wie hilfreich ich als Bhikkhuni für die Sangha, Freunde und alle Lebewesen werde sein können, weiß ich heute auch nicht, aber ich weiß, dass ich die Linie der Theravada-Bhikkhunis mit Freude, Respekt und Achtsamkeit gerne weitertragen werde.“ Bhikkhuni Sucinta, Äbtissin der Anenja Vihara, drückt ihre Freude über das gelungene Ereignis wie folgt aus: „Im Allgäu waren wir in der glücklichen Lage, die Ordination durch die Bhikkhunis, die vorangehen muss, in dem von Bhikkhunis neu etablierten Sima der Anenja Vihara durchführen zu können und anschließend zum Mönchskloster Metta Vihara zu fahren. Dort erhielt die zunächst von einer Seite ordinierte Dhira auch die Zustimmung der Bhikkhu-Sangha, und zwar in dem besonders würdigen Rahmen der neuen Pagodenkapelle, die zuvor von den Bhikkhus als Sima bestimmt worden war. (…) Dass diese erste Bhikkhuni-Ordination in Deutschland so viel Unterstützung erhielt, gibt Grund zu Zuversicht: Sie wurde von vier kräftigen Pfeilern getragen – von Bhikkhus, Bhikkhunis, Upasakas und Upasikas –, und dies ist ein Zeichen, dass der Dhamma in Deutschland Wurzeln schlägt, dass er eine gute Chance hat, zu wachsen und Blüten zu treiben. (…) Jedenfalls haben wir durch die beteiligten Bhikkhus und die Bhikkhunis, die eine lange Reise in ein unbekanntes Land auf sich genommen haben, den Mut gewonnen und schließlich die Möglichkeit gehabt, diese Bhikkhuni-Ordination durchzuführen.“

Für Bhikkhu Nyanabodhi, den Abt des Waldklosters Metta Vihara, war „es deutlich zu spüren, wie kraftvoll und tief das Zusammenkommen der vier Pfeiler der Lehrnachfolge – Bhikkhus, Bhikkhunis, männliche und weibliche Laiennachfolger – heute noch wirkt.“ Bhikkhu Analayo ist ebenso begeistert: „Diese Bhikkhuni-Ordination war meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht ein Erfolg. Entsprechend dem historischen Ereignis der ersten Theravada Bhikkhuni-Ordination in Deutschland, ja wahrscheinlich in ganz Europa, strahlte die gesamte Zeremonie Harmonie und Freude aus und veranschaulichte beispielhaft, was im Dhammapada (Vers 194) berichtet wird, wie nämlich Harmonie im Orden zu Glückseligkeit führt. (…) Was mich besonders beeindruckt hat, war die herausragende Organisation und die großzügige Hilfsbereitschaft der Laien, die offensichtlich unsere Freude darüber teilten, dass mit diesem Ereignis nun alle vier Bestandteile, die eine buddhistische Tradition ausmachen – Bhikkhus, Bhikkhunis, Laienmänner und -frauen – eine solide Grundlage in Deutschland haben. Eine solide Grundlage in dem Sinne, dass in diesem Land und von diesem Tage an auch weibliche Anwärterinnen mit Interesse an einem Leben in Entsagung Zugang zum voll ordinierten Leben als Nonne in der Theravada-Tradition haben.“

Zeitgleich mit der Ordination in Deutschland fand die erste Bhikkhuni-Ordination für neun Frauen in Indonesien in Wisma Kusalayani in Lembang, Bandung, statt. Zwei der Anwärterinnen stammen aus Indonesien, sieben aus anderen Ländern, und 1500 Menschen wohnten der Zeremonie bei. Auch in Indonesien wurde eine duale Ordination durch Bhikkhus und Bhikkhunis, die aus verschiedenen Ländern kamen, durchgeführt.

Weitere Infos: anenja-vihara.org