Tibet: Chinesische Regierung schränkt Menschenrechte, Freiheit und Religionsausübung weiter ein

10. Juni 2022

Die Situation Tibets verschlechtert sich weiter, das ist dem diesjährigen Bericht der US-Organisation Freedom House zu entnehmen. Darin wird Tibet eines der unfreiesten Länder der Welt genannt und erhält, zusammen mit Syrien und dem Südsudan, den letzten Platz: nur einen einzigen auf einer Skala von einhundert möglichen Punkten. Kriterien für die Einordnung sind zum Beispiel freie Wahlen und Meinungsfreiheit. Der gesamte Katalog der Kriterien wird auf der Website der Organisation ausgeführt.

freetibet.org

Als schwerwiegende neue Instrumente der Unterdrückung seit Anfang 2021 nennt die Organisation die Verschärfung von Reisebedingungen, unter anderem mithilfe von zweitausend sogenannten Inspektoren, die tibetische Landgemeinden überwachen, die weitere Einschränkung der Religionsausübung durch die Schließung weiterer Tempel und Klöster oder Zugangsbeschränkungen zu solchen, die Kontrolle von Tempeln und Klöstern neuerdings nicht nur durch Aufseher und Informanten, sondern auch durch Videoüberwachung, und die Einführung neuer Vorschriften, nach denen Studierende, die staatliche Beihilfen in Anspruch nehmen, an einer zweijährigen militärischen Ausbildung teilnehmen müssen.

Einzelberichte über gefangene und zum Teil gefolterte tibetische Mönche und Intellektuelle, Journalist:innen und Nichtordinierte, über geschlossene Klöster und Selbstverbrennungen geben detailliertere Einblicke in das Ausmaß der Unterdrückung. Auf der Seite der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte München werden immer wieder erschreckende Bespiele veröffentlicht. In einem Beitrag vom Juni 2021 geht es um den Mönch Rinchen Tsultrim, der wegen „Anstiftung zum Separatismus“, was von den chinesischen Behörden als Staatsverbrechen gewertet wird, angeklagt und zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt worden ist. Vorgeworfen wird ihm, dass er Kontakte zu Personen außerhalb Tibets gepflegt habe. In einem anderen Bericht vom Juli 2021 über vier tibetische Mönche des Klosters Tengdro in Tingri steht, dass diese wegen kleinerer Vergehen zu extrem harten Strafen – bis zu 20 Jahren Haft – verurteilt worden seien. Die Ankläger werfen ihnen Kontakt zu Tibetern in Nepal und die Überweisung von Spenden für ein dortiges Kloster vor. Der Bericht kann keine eindeutige Erklärung für die extrem harten Strafen geben, aber die Schreiber vermuten, dass die Strafen den zunehmenden Druck auf die chinesischen Beamten widerspiegeln, die neuerdings vermehrt präventive Maßnahmen durchführen sollen.

Über Ähnliches informiert die Tibet Initiative Deutschland in einer Veröffentlichung vom 22. Juli 2021. Bereits öffentlich geäußertes Einverständnis mit dem Dalai Lama, die Forderung nach politischer Autonomie oder das Streben nach grundlegender kultureller und religiöser Freiheit können zu einer Anklage wegen Separatismus führen.

„Häufig werden die Verhafteten für lange Zeit in Isolationshaft gehalten, der Zugang zu Anwält:innen und ihren Familien wird ihnen verweigert. Jüngste Berichte von Folter, Misshandlungen und Todesfällen in der Haft sind äußerst besorgniserregend.“

In einem Briefing der Tibet Initiative für politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger werden sechzehn Einzelfälle geschildert. Radio Free Asia hat am 13. März 2022 über eine Umfrage unter 215 Tibeterinnen und Tibetern in Indien informiert, von denen fast fünfzig Prozent berichteten, dass durch die schweren Repressionen die Kommunikation mit ihren Familien in Tibet vollkommen zusammengebrochen sei. Auch ein Bericht der Organisation Human Rights Watch von diesem Jahr bestätigt, dass Tibeter:innen, die Menschen außerhalb Chinas kontaktieren, verfolgt und bestraft werden, unabhängig von dem Inhalt der Kommunikation.

Kirsten Schulte

Links

http://www.igfm-muenchen.de

https://freedomhouse.org/country/tibet/freedom-world/2022

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