Strahlendes Licht – (Zen)Frauen unterwegs
19. Dezember 2023
Tagung zu Frauen im Zen-Buddhismus, gestern und heute
Die Hälfte des Himmels gehört den Frauen, so ein chinesisches Sprichwort. Aber hier auf Erden kann bis heute weder im gesellschaftlichen Bereich noch im Buddhismus, geschweige denn im Zen, von einer wirklich gleichberechtigten Teilhabe von Frauen gesprochen werden.
Umso erfreulicher, dass es nach dem großen Kongress „Frauen und Buddhismus“ im Jahr 2000 in Köln nun erstmals im deutschsprachigen Raum Mitte August eine Tagung zum Thema „Frauen und Zen“ gegeben hat. Veranstalterinnen waren Linda Myoki Lehrhaupt und Susanne Jushin Dittrich. Rund 65 Frauen (und ein Mann) trafen sich im spirituellen Zentrum Benediktushof in Holzkirchen, um vier Tage lang mithilfe von Vorträgen und Workshops – von Linda Myoki Lehrhaupt, Susanne Dittrich, Agnes Pollner, Jiun Hogen de Wit, Birgit Schönberger, Doris Myoen Zölls und Ursula Kogetsu Richard – sowie Austauschrunden das Feld „Frauen und Zen“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.
Die Vorträge waren teilweise sehr persönlich gehalten und berührten die Zuhörenden, da sie die Härten und besonderen Herausforderungen, aber auch die Stolpersteine thematisierten, denen Frauen ausgesetzt sind, wenn sie konsequent den Zen-Weg gehen. Des Weiteren ging es darum, die Spuren unserer Ahninnen freizulegen und zu schauen, inwieweit wir ihr Vermächtnis für die eigene Praxis fruchtbar machen können. Wir loteten auch gemeinsam aus, wie eine Zen-Praxis aussehen könnte, die stärker die Dimension des Mitgefühls einbezieht. Eine Praxis, die nicht mehr einfach die bisherigen einseitig männlichen Narrative über Zen (streng, hart, unerbittlich, gewaltvoll, schweigend, ichüberwindend etc.) zum Maßstab aller Dinge macht, sondern sie kritisch hinterfragt und mindestens durch weibliche Perspektiven ergänzt. Zu diesen männlichen Narrativen gehört auch die Annahme einer rein männlichen Zen-Übertragungslinie, die bis zum Buddha selbst zurückgeführt wird. Längst ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine Übertragungslinie in dieser Form eine Fiktion ist. Aber sie wird in vielen Zen-Klöstern und -Zentren bis heute rezitiert, und das hat natürlich eine Wirkung auf Frauen. Dank der Forschungen und des Engagements von Zen-Frauen in den USA gibt es mittlerweile eine Soto-Zen-Ahninnen-Reihe, die inzwischen ebenfalls vielfach rezitiert wird. Linda Myoki Lehrhaupt stellte sie vor und wir rezitierten sie und verbanden uns auf diese Weise mit dem reichen Erbe unserer Vorfahrinnen.
Zu neueren Ansätzen der Zen-Praxis gehört seit einigen Jahren die gemeinschaftliche Arbeit an Koans. Vorgestellt wurde dieser Ansatz erstmals von Florence Caplow und Susan Moon in dem Buch „Das verborgene Licht, 100 Geschichten erwachter Frauen aus 2500 Jahren, betrachtet von (Zen-)Frauen heute“. Susanne Dittrich, die seit Jahren mit Gruppen auf diese Weise arbeitet, stellte diese Form der Praxis vor und wir probierten sie in Kleingruppen aus. Am letzten Abend waren die beiden Herausgeberinnen des Buches per Zoom zugeschaltet und sprachen über die vielen Möglichkeiten kreativer Auseinandersetzung mit Koans und wie das auch weitere Innovationen in der Zen-Praxis inspiriert. Die Tagung ließ viel Raum für Gespräche der Teilnehmerinnen untereinander. Deutlich wurde das große Interesse, diese Themen weiter zu vertiefen, sich mehr zu vernetzen, traditionelle Hierarchien im Zen kritisch zu beleuchten und aufzubrechen, Formen zu finden, die uns mehr auf Augenhöhe miteinander bringen, die uns helfen, Zen zu praktizieren, ohne uns als Frauen dabei verbiegen zu müssen. Aufgrund des großen Interesses ist eine weitere Tagung im Benediktushof angedacht mit dem Titel „Strahlendes Licht – was Zen-Frauen in die Welt tragen“. Stattfinden soll sie vom 28. bis 31. August 2025.
Ursula Richard
Vorträge zur Tagung:
benediktushof-holzkirchen.de/zen-frauen-unterwegs
Bildergalerie: