Alexandra Eichenauer-Knoll

Yoga und soziale Verantwortung

Sich gründen im Außen und Innen mit Yama und Niyama

Heft: 03 | 2022 Heimat
Verlag:Windpferd Verlag
Ort:Aitrang
Jahr:2022
ISBN:978-3-86410-352-0
Preis:20,00 €
Seiten:224
Paperback, 60 Minuten Audiodownload

Rezension

Eine Frage, die Buddhist:innen und Praktizierende des Yoga gleichermaßen betrifft, ist die nach der gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung des und der Einzelnen: Geht es mir nur um meine eigene Vervollkommnung auf dem Weg zum Erwachen oder zum samadhi, oder bin ich nicht vielmehr aufgerufen, die Allverbundenheit, die ich in der Meditation zu erfahren suche, auch im praktizierten Mitgefühl aktiv umzusetzen und in meinen Alltag zu integrieren?

Thich Nath Hanhs engagierter Buddhismus gibt eine klare Antwort auf diese Frage. Und nicht nur in seiner Nachfolge mehren sich die Stimmen, die eine solche Ausweitung der Praxis fordern. Die österreichische Yogalehrerin Alexandra Eichenauer-Knoll legt mit ihrem Buch ein entschiedenes Plädoyer für eine Verbindung von spiritueller Praxis und gesellschaftlichem Engagement vor. Auf der Grundlage einer zeitgemäßen Deutung von Patanjalis „Yogasutra“ entwirft sie einen moralischen Kompass und gibt denjenigen, die sich für ihre Mitmenschen und die Umwelt engagieren, praktische Mittel an die Hand, um ein stabiles inneres Fundament dafür zu entwickeln, dass sie sich in ihrer oft frustrierenden Arbeit nicht aufreiben und nicht ausbrennen.

Den Orientierungsrahmen dafür liefern die von Patanjali benannten yamas (in den Worten der Autorin „moralische Verhaltensregeln gegenuber anderen Personen“) und niyamas („heilsame Verhaltensempfehlungen für die eigene Selbstentfaltung“) – Regeln, die mit ganz ähnlichen Inhalten im Buddhismus als Tugend oder Übungsregeln beziehungsweise silas bekannt sind.

Konkretisiert und mit Leben gefüllt werden die Ausführungen zu den Yamas beziehungsweise den buddhistischen Tugendregeln im ersten Teil des Buchs durch zahlreiche persönliche Geschichten aus dem Alltag der Autorin. Die beschriebenen Konflikte und Losungswege werden jeweils einem der bhavanas aus Patanjalis „Yogasutra“ zugeordnet, die wiederum den buddhistischen brahmaviharas entsprechen: metta (liebende Güte), karuna (Mitgefühl), mudita (Mitfreude) und upekkha (Gleichmut).

Im zweiten Teil finden sich zu jedem Niyama vier geleitete Meditationen. Auf diese Weise gelingt es der Autorin, Patanjalis Lehre auf sehr persönliche, dezidiert unakademische Weise und ohne erhobenen Zeigefinger in die Gegenwart zu holen und für „ganz normale“ Praktizierende nutzbar zu machen. „Denn die Welt braucht Menschen mit spirituellem und politischem Bewusstsein mehr denn je“, wie es zum Schluss heißt. Und ich mochte in diesem Satz ganz besonders das Wörtchen und unterstreichen.

Andreas Jäger

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