Ronald E. Purser

Wie Achtsamkeit die neue Spiritualität des Kapitalismus wurde

Heft: 01 | 2023 Sprechen
Verlag:Mabuse Verlag 2021
Ort:Frankfurt am Main
Jahr:2021
ISBN:ISBN 978-3-86321-614-6
Preis:19 €
Seiten:235
Übersetzt aus dem Englischen von Garry Zettersten
Paperback

Rezension

Schon 2013 erschien in der Huffington Post ein Artikel von Ronald E. Purser und David Loy mit dem Titel „Beyond McMindfulness“. Darin analysierten die Autoren, wie sich die von ihren buddhistischen Wurzeln abgekoppelte Achtsamkeit mittlerweile zu einem großen Geschäft entwickelt hat, ein wohlfeiler Teil der neoliberalen Ideologie und der kapitalistischen Ökonomie geworden ist und Eingang in Firmen, Institutionen, Polizei und Militär gefunden hat. Der Journalist Felix Stephan hat 2015 in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“ das Phänomen McMindfulness untersucht und als typisches Merkmal festgestellt, „dass Achtsamkeit heute allzu oft aus serieller Fertigung stammt und in leicht verdaulichen Portionen zum unmittelbaren Verzehr angeboten wird“.

„McMindfulness“ ist auch der englische Haupttitel des Buchs von Ronald E. Purser, Professor für Management in San Francisco und ordinierter Dharmalehrer in einer koreanischen Zen-Tradition. In einer für einen buddhistischen Lehrenden recht polemischen, teilweise scharfen Art und Weise beschreibt Purser, wie eng auf der einen Seite vor allem Techunternehmen wie Facebook, Google und Twitter und auf der anderen Seite säkulare, aber auch buddhistische Achtsamkeitslehrende zusammenwirken, um eine Vorstellung und Praxis von Achtsamkeit zu promoten, die dem Profitstreben der Unternehmen nicht nur nicht wehtun, sondern es unterstützen. Große Teile der Achtsamkeitsszene blenden strukturelle, gesellschaftliche Probleme und Ungerechtigkeiten vollkommen aus, während sie dem Individuum die alleinige Verantwortung dafür zuschieben, sich in dem immer schneller drehenden sozialen und ökonomischen Hamsterrad „achtsam“ und impulskontrolliert zu bewegen und dabei auch noch gut zu fühlen – zumindest fit genug, um noch arbeiten und konsumieren zu können. „Achtsam“ und neuerdings auch „divers“ sind als Begriffe überaus werbewirksam geworden und man kann nur staunen, wie sich in der kapitalistischen Ökonomie alles zu einer Ware verwandeln kann. Achtsamkeit, sagt Purser, sei die neue Spiritualität dieses Systems geworden. Wie weit entfernt hat sie sich damit von sati, dem buddhistischen Begriff, der im Deutschen mit Achtsamkeit übersetzt wird.

Ursula Kogetsu Richard

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