White Male Zen Master
Ein Ethnologe im Kloster
Heft: | 03 | 2020 Transformation |
Verlag: | Peter Hammer Verlag |
Ort: | Wuppertal |
Jahr: | 2020 |
ISBN: | 978-3-7795-0640-9 |
Preis: | 20,00 € |
Seiten: | 160 |
Hardcover | |
Rezension
Ein Ethnologe in einem Zen-Kloster – das ist eigentlich eine Win-Win-Situation. Denn in beiden Disziplinen lernt man ja, vorurteilsfrei zu sein, nicht zu werten. Dachte sich auch David Sumerauer, der seine ethnologische Abschlussarbeit über Zen schreiben wollte und dafür in das berühmte Tassajara-Kloster ging, weil Ethnologie und Zen für ihn miteinander verbunden sind, als eine Verschmelzung der „idealen Lebenspraxis“. Wie der britische Sozialanthropologe Tim Ingold schreibt: „Die Anthropologie sagt Ihnen nicht, was Sie wissen möchten; sie erschüttert die Grundlagen dessen, was Sie schon zu wissen glauben.“ Für den Autor ist das ein Ausspruch, der auch von Dogen Zenji stammen könnte.
In Tassajara sollte seine Forschung „den Widerspruch zwischen Meditation als zunehmend selbst-regulatorisch verstandener Praxis und der zen-buddhistischen Betonung der Nicht-Existenz eines substanziellen Selbst als Anlass und Ankerpunkt nehmen“. Im Kloster aber geriet er in die heftigen Diskussionen über „identitätspolitische Theorie“ und änderte sein Thema. Er war genervt von der „übertriebenen politischen Korrektheit, mit der die weißen wohlhabenden Akademiker, die den Großteil der Mönche und Nonnen in diesem Kloster stellen, über Herkunft und Geschlecht sprachen“ und erstaunt über die „Divine feminity – Undoing patriarchy“-Kleingruppe für Frauen, der „Undoing patriarchy“-Kleingruppe für Männer oder die Gruppe für „Cultural Awareness and Inclusivity“. Er stieß an das „Cultural-Appropriation-Gedankengebäude“, als er fragte, warum sich sein Kind im Karneval nicht als Indigener oder Schwarzer verkleiden könne: „Myoho schaute mich an, wie ich wohl jemanden ansehen würde, der freimütig fragt, was denn problematisch daran sei, den Holocaust zu leugnen.“ Seine Arbeit darüber ist jetzt in einem sehr witzigen und aufschlussreichen, persönlichen und zugleich wissenschaftlichen Buch erschienen, das zwar nicht mit Fachausdrücken und -zitaten spart, sich aber dennoch leicht und locker liest.
Georg Patzer