Luigi Fieni, Kenneth Parker

Tibetan Mustang

A Cultural Renaissance

Heft: 04 | 2023 Verantwortung
Verlag:Hirmer
Ort:München
Jahr:2023
ISBN:978-3-7774-4197-9
Preis:69 Euro
Seiten:248
180 Abbildungen in Farbe
Gebunden
 


Rezension

 

Der englischsprachige Bildband „Tibetan Mustang“ feiert ein kleines Land und seine Bevölkerung mit großartigen Fotos von Landschaften, Dörfern und Menschen. Das einst unabhängige Königreich Mustang im Himalaja gehört heute zu Nepal und wird in der Landessprache „Lo“ (Süden) genannt. Es ist ungefähr so klein wie das Saarland, liegt aber 2 500 Meter hoch. Wie atemberaubend die Landschaften Mustangs sind, lässt sich in diesem Buch betrachten: Hügel und schneebedeckte Berggipfel schrauben sich in Höhen von über 3 800 Metern. Die Felsen erstrahlen in vielfältigsten Grau- und Brauntönen, mit farbigen Einsprengseln von terrassierten Feldern. Es regnet wenig in Mustang, und entsprechend schwer ist es, dem Boden Nahrungsmittel abzuringen – doch wie Blumeninseln leuchtet der blühende Buchweizen in rosa bis violett. Zwischen den Feldern erheben sich Lehmhügel in allerlei Rot- und Gelbtönen. Mit den Farbpigmenten färben die Einheimischen ihre Häuser und Tempel. Jeder Farbstreifen hat seine religiöse Bedeutung: Rot steht für Manjushri oder Weisheit; weiß für Avalokiteshvara oder Mitgefühl, schwarz für Vajrapani oder die Tatkraft aller Buddhas. 

Der Fotoband dokumentiert ein außergewöhnliches Langzeitprojekt, das in den 1990er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen hat: die Restauration der Tempel- und Klosteranlagen der beiden Heiligtümer von Jampa und Tupchen. Beide zeichnen sich durch besondere, kunstvolle Wandmalereien aus. Einige Fotos zeigen eindrücklich, wie über die Jahrhunderte Erdbeben Risse im Mauerwerk verursacht haben. Manche Fresken haben sich ganz- oder teilweise abgelöst. Hinzu kamen natürliche Verwitterungsprozesse durch Kälte und Hitze sowie durch den Rauch der Butterlampen. 

Die American Himalayan Foundation, eine unabhängige, nicht staatliche Organisation, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die lokale Bevölkerung auszubilden, damit sie ihre Tempel und Wandgemälde selbst Instand halten und restaurieren kann. Aus jeder Familie sollte zumindest eine Person entweder bei der Gebäudeinstandsetzung oder der Restaurierung der Malereien helfen; insbesondere auch Frauen. Bevor das Projekt begann, war das Ausbildungsniveau in Mustang ziemlich niedrig, auch weil Eltern es vorzogen, ihre Kinder zur Feldarbeit statt in die Schule zu schicken. Im Buch wird beschrieben, wie alle Auszubildenden zunächst durch Zuschauen lernten: Seite an Seite mit dem internationalen Konservatorenteam, das Schritt für Schritt die handwerklichen Griffe demonstrierte, bis die Auszubildenden sie übernehmen konnten. Am schwierigsten war das Retuschieren. Denn viele Helferinnen und Helfer waren es nicht gewohnt, mit dünnen Pinseln umzugehen. Das alles brauchte viel Zeit und Geduld, aber über die Jahre erarbeiteten sich viele Menschen vor Ort die wichtigen Restaurationstechniken. Heute sind sie sichtlich stolz auf ihre Leistungen. 

Der prächtige Bildband erzählt mit seinen zahlreichen Fotos und kurzen englischen Texten, Etappen dieses jahrzehntelangen Restaurierungsprozesses. Und er macht solche Lust, dorthin zu reisen, dass man den Rucksack packen und losfliegen möchte. 

Michael Schornstheimer

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