Mein Schmerzmittel Vipassana-Meditation

Rezension

„Mein Lehrer sagte: ,Komm nicht zu einem Vipassana-Kurs, wenn du Meditation nur nutzen möchtest, um deine Migräne zu heilen. Dies ist lediglich ein Nebeneffekt, das eigentliche Ziel der Praxis besteht in einer umfassenden Transformation des Lebens.‘“  

So lebendig erzählt Philip Popp in diesem Buch seine Geschichte. In seiner Jugend verbringt er viel Zeit auf Partys mit reichlich Alkohol und Haschisch, im Verborgenen gibt es große Selbstzweifel. Nach einem Snowboardunfall zerbricht seine Spaßwelt: unerträgliche Schmerzen, Arztbesuche, Betäubung durch Alkohol, erneute Schmerzen und Depressionen. Es entsteht ein Teufelskreis aus Schmerz und Depression, den Neurologen als Schmerzkreislauf bezeichnen: Geist und Körper gewöhnen sich an diese Dynamik und bauen immer neue Spannungen auf.  

Philip Popps Leben wird zur Hölle, er ist nur noch darauf bedacht, nach außen hin halbwegs zu funktionieren, denn die Scham, über das eigene Leiden und Scheitern zu sprechen, ist größer als der Schmerz. Es gelingt ihm noch, ein Studium aufzunehmen und ein paar Beziehungen zu seinen alten Cliquen aufrechtzuerhalten. Während einer Reise nach Thailand verbringt er drei Wochen in einem Vipassana-Kloster. Nach intensiver Praxis erscheint ein Silberstreif am Horizont. Momente tiefen Friedens lassen die Schmerzerfahrung in den Hintergrund treten. Von da an meditiert Philip Popp täglich mindestens zwei Stunden und nimmt regelmäßig an längeren Retreats teil. Da es ihm immer wieder gelingt, den Schmerzkreislauf zu durchbrechen, glaubt er, zumindest an den Wochenenden zu seinem früheren Lebensstil – unter anderem exzessiven Partys – zurückkehren zu können, da die Meditation ihn ja stark mache. Doch Vipassana beginnt immer tiefere Ebenen seines geistig-psychischen Prozesses aufzudecken. Nach dem Honeymoon kommt es zur emotionalen Achterbahnfahrt. Philip Popp begegnet Wut, Angst, Depression und nicht zuletzt auch Scham. Im Laufe der Zeit erkennt er, dass er das Leben, das ihn in diesen Kreislauf geführt hat, nicht mehr fortsetzen kann. Damit offenbart sich die eigentliche spirituelle Dimension von Vipassana. Ein sehr ehrliches und offenes Buch.  

Werner Vogd