Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte
Erkenntnisse aus meinem Leben als buddhistischer Mönch
Heft: | 03 | 2022 Heimat |
Verlag: | dtv Verlagsgesellschaft |
Ort: | München |
Jahr: | 2021 |
ISBN: | 978-3-423-26311-5 |
Preis: | 16,00 € |
Seiten: | 224 |
Aus dem Schwedischen übersetzt von Sigrid C. Engeler | |
Klappenbroschur | |
Rezension
Natthiko, so der Mönchsname des schwedischen Autors, bin ich erstmals via YouTube-Videos begegnet. Mich hat sofort seine warmherzige, humorvolle, leuchtende Ausstrahlung fasziniert. Durch seine Gegenwart schienen sich seine Umgebung und die Menschen, mit denen er sprach, aufzuhellen. Dabei konnte er sich körperlich immer weniger bewegen, und auch das Sprechen fiel ihm zunehmend schwer, denn er litt an ALS, einer unheilbaren, schnell voranschreitenden degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, die mit Muskelschwund einhergeht. Anfang des Jahres ist er daran im Alter von 60 Jahren auch gestorben. In seinem Buch mit dem wunderbaren Titel „Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte“ erzählt er seine Lebensgeschichte vom erfolgreichen Jungmanager zum buddhistischen Mönch in einem thailändischen Waldkloster, später auch in England und der Schweiz. 17 Jahre lang lebte er als Mönch, bevor er die Robe ablegte. Er kehrte in sein Heimatland Schweden zurück und litt monatelang unter einer starken Depression. Er verliebte sich, heiratete und begann dann, in Vortragen, Workshops und Retreats die Erkenntnisse, die er in seiner Zeit als Mönch gewonnen hatte, weiterzugeben. In seinem Buch teilt er sie auch mit uns. Seine Sprache ist einfach und überhaupt nicht „buddhistisch“. Er knüpft an Alltagserfahrungen, Sichtweisen und Problemen an, die fast jedem Menschen in unseren Breitengraden vertraut sind. Seine Empfehlungen sind so eingängig und griffig, dass sie im Gedächtnis bleiben, oder sie tauchen auf, wenn man sich wieder einmal im alltäglichen Wahnsinn verirrt hat. Und sie sind stets von Natthikos eigenen Lebenserfahrungen gespeist, deren Schilderung den roten Faden des Buches bilden. Natthiko entmystifiziert das klösterliche Leben und zeigt es als einen Erfahrungsraum, der es im besten Fall möglich macht, sich intensiv den existenziellen Fragen zu widmen, die uns fast alle umtreiben, für deren Ergründung wir uns aber oft zu wenig Zeit nehmen. „Ich wünsche dir, dass du etwas weniger mit einer geballten Faust und dafür etwas mehr mit einer offenen Hand leben kannst. Mit etwas weniger Kontrolle. Mit etwas weniger: ,Ich muss alles im Vorhinein wissen.‘ Mit etwas mehr: ,Kommt Zeit, kommt Rat.‘ Das Dasein muss nicht von der ständigen Unruhe geprägt sein, ob alles wohl auch so kommen wird, wie wir es wollen. Wir müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind. Wir können entscheiden. Wollen wir das Leben im Würgegriff packen oder wollen wir es umarmen? Öffne deine Hand, sooft du es vermagst.“ Mich hat dieses Buch sehr inspiriert; ich habe es aber auch Menschen empfohlen, die bislang eher einen großen Bogen um alles gemacht haben, was nach Spiritualität und Religion riecht. Und auch sie fühlten sich sehr angesprochen.