Ulli Olvedi

Hinter den Schneebergen

Sagenhafte Geschichten aus dem alten Tibet

Heft: 02 | 2018 Freiheit
Verlag:O.W. Barth Verlag
Ort:München
Jahr:2018
ISBN:978-3-426-29272-3
Preis:18,00 €
Seiten:205
Hardcover mit Schutzumschlag

Rezension

Wer in den 50er-, 60er-Jahren in Tirol, Bayern oder einer anderen europäischen Bergregion aufwuchs, konnte noch die alten Sagen und Märchen erzählt bekommen: Von armen Kindern zum Beispiel, die von einem bösen, reichen Bauern geplagt und schließlich – nachdem sie mehrere Prüfungen erfolgreich bestanden hatten – von einem guten Waldgeist gerettet wurden. Ulli Olvedi legt nun eine Sammlung alter tibetischer Sagen, Märchen und Legenden vor, die den europäischen in vielem gleichen. Das ist vielleicht das Erstaunlichste an dem wunderbaren Buch Hinter den Schneebergen. Wobei es so erstaunlich nicht ist. Die Motive der alten und uralten Geschichten, die oft Lehrgeschichten waren, gleichen sich rund um die Welt häufig in ihrer Substanz. Die Protagonistinnen und Protagonisten unterscheiden sich, doch fast immer geht es um Ehrlichkeit und Mitgefühl, um Mut und Einfallsreichtum. Die tibetischen Geschichten, die Olvedi überzeugend und ansprechend in einem heutigen Deutsch wiedergibt, verblüffen und erfreuen aber zusätzlich mit einer guten Portion Humor und Ironie. Und der Bereitschaft, vorgegebenes Verhalten infrage zu stellen und das unheilige Verhalten von Lamas satirisch aufs Korn zu nehmen. Auch diese Sagen und Märchen spielen in einer patriarchalen Gesellschaft, doch es gibt darin immer wieder Frauen, die aus der Rolle fallen oder über eine ganz besondere Qualität von Klugheit oder Mitgefühl verfügen. Man kann sich beim Lesen zudem gut vorstellen, wie die Geschichtenerzähler von Tal zu Tal und von Hochebene zu Hochebene wanderten, die Nomadenfamilien bei ihrem Erscheinen aus den Jurten kamen, sie willkommen hießen und bekochten und sich dann um sie scharten, um diese lehrreichen, spannenden und lustigen Geschichten zu hören.

Ingrid Strobl

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