Sabine Hübner

Hekiganroku

Die Niederschrift von der smaragdenen Felswand (Biyanlu) Die 100 Koans mit Teisho-Kommentaren von Sabine Hübner

Heft: 03 | 2024 Geist
Verlag:Kristkeitz
Ort:Heidelberg
Jahr:2023
ISBN:978-3-948378-21-9
Preis:29,80 Euro
Seiten:440
Gebunden, Großformat

Rezension

Koans gehören zu den wundersamsten Texten der Weltliteratur. Nicht nur, weil sie beim ersten Lesen als verrätselte Miniaturen erscheinen, von deren Paradoxien man angezogen und zugleich auf Distanz gehalten wird. Wundersam sind Koans auch, weil sie ein wirklich großes Versprechen enthalten: Wer ihre Paradoxien auflöst, kann einen plötzlichen Erkenntnissprung machen, der womöglich das gesamte Leben verändert. Wer begreift, dass die Paradoxien nur deshalb paradox erscheinen, weil man immer noch in falschen Denkmustern verstrickt ist, ist schon einen großen Schritt weiter. Lässt man dann noch den Wunsch los, Lösungen gegeneinander auszuspielen, steht man kurz vor dem Durchbruch. Es steckt also eine Menge Transformationsenergie in den einhundert Koans des „Hekiganroku“, der „Niederschrift von der smaragdenen Felswand“, die die Zen-Meisterin Sabine Hübner jetzt in einem voluminösen Band vorlegt. Der soll den Lesenden und Lernenden exaktere Übersetzungen bieten, wo bisher nur mit ziemlich unverlässlichen Textstücken gearbeitet werden konnte und mit Missverständnissen gerade dort gerechnet werden musste, wo es doch um nichts weniger als um das Ingangsetzen der feinen Mechanik der Erleuchtung geht. 

Die nunmehr tausend Jahre alte „Niederschrift“ gilt als eins der wichtigsten Dokumente der Zen-Tradition. Und so bekommt man, wenn man Sabine Hübners Band aufschlägt, nicht nur einfach neu geschliffene und geputzte Rätseltexte zum Knobeln vorgelegt. Man wird zugleich an die Ursprünge einer Praxis herangeführt, die auf die Einübung in das Denken des Nicht-Denkens angelegt ist. Allerdings sagt die Herausgeberin und Übersetzerin, dass es ihr dabei „niemals um eine klassische Koan-Lösung“ geht. „Denn solche Lösungen werden nie und nirgendwo verraten.“ Und doch kann man sich auf ihre gelehrte Unterstützung verlassen, seit sie vor über zwanzig Jahren die Koans des Mumonkan übersetzt und kommentiert hat. Seither arbeitet sie sich mit großer Euphorie durch alle bekannten Sammlungen und versucht, sie zum Klingen zu bringen. 

Sie hat dafür einen ganz eigenen Stil entwickelt, den sie für die neue Sammlung geradezu perfektioniert. Die Lesenden spricht sie an, als säßen sie wie Kinder im Kreis um sie herum, um neuen Geschichten zu lauschen. Erst hört man die Koans. Dann übersetzt Sabine Hübner sie in ornamentreiche Erzählungen. Die rauschen los, verzweigen sich zwischendurch, um dann wieder unversehens zusammenzufließen. Hier klingt alles ein bisschen nach Märchen, nach Legende und immer auch nach einer ganz handfesten Lehrgeschichte, die am Ende zu etwas hinausführt, was man im eigenen Leben beherzigen kann. 

Würde das Buch nicht so viel wiegen und wäre der Text nicht so anstrengend breit gesetzt und klein gedruckt, könnte man diese Koan-Sammlung griffbereit neben dem Bett liegen haben, um sich selbst und den Übernachtungsgästen noch eine Geschichte vorzulesen, bevor das Licht gelöscht wird. Wer an hundert Abenden immer eine von Sabine Hübners Auslegungen hört, wird sicher schon bald auch im Dunkeln ein bisschen zu leuchten beginnen. 

                                                                                                           

Stephan Porombka

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