Rinpoche Thinley Norbu

Gypsy Gossip

Geschwätz eines Vagabunden

Heft: 01 | 2021 Gemeinwohl
Verlag:Manjughosha Edition
Ort:Berlin
Jahr:2020
ISBN:978-3-945731-30-7
Preis:25,00 €
Seiten:250
Aus dem Englischen übersetzt von Ricarda Maya Solms
Klappenbroschur

Rezension

Thinley Norbu Rinpoche (1931–2011) ist ein Lehrer der Nyingma-Linie des tibetischen Buddhismus, ältester Sohn von Dudjom Rinpoche, Vater von Dzongsar Khyentse Rinpoche und Autor zahlreicher Bücher. Wer bereits Schriften von Thinley Norbu kennt, wird ahnen, was von „Gypsy Gossip – Geschwätz eines Vagabunden“ zu erwarten ist: eine Dichte, Intensität und Sprache, die ihresgleichen suchen. Es ist aussichtslos, dem mächtigen, mäandrierenden Sprachfluss dieses Vajrayana-Meisters egozentrisch oder intellektuell zu begegnen. Thinley Norbu zu lesen, gelingt nur, wenn man bereit ist, sich zu ergeben und sich mitnehmen zu lassen auf eine lange, verschlungene Reise voller Klarheit und Einsicht, die nicht selten die Konventionen standardisierter Grammatik ignoriert.

Der erste Text des hier vorliegenden Buches entstand 1980 aus einer Sammlung von Fragen westlicher Schüler. Der zweite, „Jenseits von Ost und West“, ein Interview, ist fast zwanzig Jahre jünger. Der dritte, „Eine Botschaft an junge Bhutaner“, enthält keine Jahresangabe, dürfte jedoch auch eher jüngeren Datums sein. Der letzte schließlich, „Anleitung zur Darbringung von Dharma-Tänzen“, beschäftigt sich mit heiligen Tänzen und wurde für die Schülerinnen und Schüler der White Lotus School in Delhi, New York verfasst – dort lebte und lehrte Thinley Norbu.

So unterschiedlich diese Texte auch sind, sie alle beschäftigen sich auf die eine oder andere Weise mit den Folgen der Globalisierung für den Dharma. Thinley Norbu war ein scharfer und kritischer Beobachter der Entwicklungen seiner Zeit. Mit äußerster Präzision seziert er wieder und wieder die Tendenz westlicher Dharmapraktizierender, die nihilistischen und materialistischen Gewohnheiten ihrer Kultur dem Buddhismus unter dem Vorwand der Anpassung an kulturelle Gegebenheiten überzustülpen und die Lehre des Buddha dadurch unbrauchbar zu machen. Umgekehrt warnt er junge Bhutaner eindringlich davor, die kostbaren buddhistischen Traditionen ihres Landes zugunsten scheinbarer westlicher Freiheiten aufzugeben oder politische, ideologische und religiöse Einflüsse aus dem Ausland zuzulassen, die wiederum die Reinheit der buddhistischen Lehre in Gefahr bringen.

Wer so viel ungeschminkte Wahrheit erträgt, erhält eine kostbare Gelegenheit, seinen Geist in Demut zu üben. Die deutsche Übersetzung ist trotz der Herausforderungen, die das englische Original bietet, sehr gut lesbar. Ein Grund mehr, diesen überragenden buddhistischen Lehrer zu lesen.

Steven Uhly

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