Eine kurze Fantasiegeschichte
von einem, der aus dem Himalaya kam
Heft: | 04 | 2017 Erleuchtung |
Verlag: | Manjughosha Edition |
Ort: | Berlin |
Jahr: | 2017 |
ISBN: | 978-3-945731-16-1 |
Preis: | 29,90 € |
Seiten: | 111 |
Hardcover, mit vielen Farbfotos | |
Rezension
Wenn einer der wichtigsten buddhistischen Lehrer, die je aus Tibet in den Westen gekommen sind, eine „Fantasiegeschichte“ über sein Leben schreibt, tut man gut daran, ihm zu glauben. Damit der Leser weiß, worauf er sich einlässt, stellt Thinley Norbu seiner zu Lebzeiten unveröffentlichten Autobiografie eine Anleitung in lyrischer Form voran: „Alles ist Fantasie, erschaffen vom scheinhaften Geist“, lautet der erste Vers. „Wenn alles Fantasie ist, dann ist diese Geschichte auch Fantasie. / Wenn alles wahr ist, dann ist auch diese Geschichte wahr.“ Unkonventionell, eigen und in höchstem Maße poetisch, beschreibt der Autor seine Familienverhältnisse, seine Reisen in Asien, seine Aufenthalte in Frankreich, der Schweiz, Großbritannien und schließlich den USA, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte und Ende 2011 starb. Der Leser gerät in einen Schwebezustand, denn was Norbu erzählt, ist zwar überprüfbar, historisch verbürgt und oftmals erweist er sich als veritabler Zeitzeuge, etwa, wenn er Kulturen, Städte oder Menschen kritisch und treffend beschreibt. Aber die Art, wie er erzählt, offenbart stets das Bewusstsein, dass wir alle Fantasierende sind. Und so kann man das Buch als spannende Geschichte lesen, als in Prosa gegossene Lyrik oder als Dokumentation. Am besten aber, wir überlassen uns dem schwebenden Rhythmus dieses außergewöhnlichen Textes, der hervorragend aus dem englischen Original ins Deutsche übertragen ist.
Steven Uhly