Die Vergegenwärtigung
Roman
Heft: | 03 | 2025 Computerwelten |
Verlag: | Literaturverlag Droschl |
Jahr: | 2025 |
Preis: | 25 Euro |
Seiten: | 272 |
Rezension
Meditation ist das Thema vieler Sachbücher, wissenschaftlicher Werke, Erlebnisberichte. Aber ein Roman über Meditation, also ein Buch mit literarischem, mit künstlerischem Anspruch? Das hat Mischa Mangel jetzt mit „Die Vergegenwärtigung“ vorgelegt. Der Autor ist Schriftsteller und Meditierender. Er praktiziert Vipassana und ist überzeugt, dass die Betrachtung der Vergänglichkeit, der Sterblichkeit des eigenen Körpers, besonders wichtig ist. Dabei lässt er sich vor allem von Bhikkhu Analayo anleiten.
Der Roman ist mit einer Collagetechnik geschrieben: Bruchstücke aus verschiedenen Themenfeldern folgen aufeinander. Zwei dieser Themen durchziehen das Buch chronologisch: eine nüchterne Aufzählung der verschiedenen Stadien, in denen der allmähliche Verfall des toten menschlichen Körpers vor sich geht, und die Erinnerung an den Tag der Hochzeit des Autors, vom Treffen mit der Verwandtschaft vor dem Standesamt bis zum Ende des anschließenden Festes am nächsten Morgen. Im Kontrast dieser Themen durchzieht das Buch eine extreme emotionale Spannung und teilt sich dem Leser allein schon durch dessen Konstruktion mit, ohne dass der Autor versuchen würde, Betroffenheit durch besondere sprachliche Effekte zu erzeugen. Es gibt weitere immer wiederkehrende Themen: Der Autor erinnert sich an seinen Weg der Meditation, an Verwandte und Freunde, die wichtig waren, an persönliche Erlebnisse. Dabei wird, ebenfalls unaufdringlich, deutlich, wie die Erfahrung der Vergänglichkeit das Leben begleitet, ja prägt. Nicht allzu häufig, aber doch immer mal wieder steht nur ein einziger Satz auf einer Seite: „Vielleicht ist dies dein letzter Atemzug.“
Obgleich die Konstruktion des Romans eine so wichtige Rolle spielt, geht ein großer Teil seiner Wirkung von der Sprache aus. Sie ist einfach, fließend und präzise, bedrängt die Leserin und den Leser nicht durch künstlich hergestellte und ausgestellte Bedeutsamkeit. Darin entspricht sie genau dem Geist der Vipassana-Meditation, die ja auch nicht auf argumentative Überwältigung oder überwältigende Erlebnisse aus ist, sondern uns einfach konfrontiert mit dem, was ist. So ist das Buch eine eindrucksvolle künstlerische Leistung und inspiriert zugleich alle, die sich ihm zuwenden, der Einsicht in die Vergänglichkeit des eigenen Lebens den zentralen Platz einzuräumen, der ihr gebührt.
Thomas Ulrich