Der Weg zur Befreiung
Das Herz-Sutra - Schlüssel zum Zen
Heft: | 04 | 2025 Heilung |
Verlag: | Patmos |
Jahr: | 2025 |
Preis: | 19 Euro |
Seiten: | 143 |
Rezension
„Form ist Leerheit, und Leerheit ist Form“ – zentrale Aussagen wie diese aus dem Herz-Sutra sind für westlich geprägte Menschen oft schwer zugänglich. In der westlichen Kultur sind die zeitlichen Vorstellungen linear: Geburt – Leben – Tod. Ein Anfang, ein Ende. Im Herz-Sutra hingegen markieren Geburt und Tod keine klaren Grenzlinien, sondern Übergänge in einem fortlaufenden Kreislauf des Werdens und Vergehens.
Das Herz Sutra gilt als einer der wichtigsten Texte im Zen und im tibetischen Buddhismus. Es beinhaltet Jahrtausende alte Beobachtungen, die moderne Wissenschaften heute teilweise bestätigen. Zum Beispiel: „Nichts wird geschaffen, nichts wird vernichtet.“ Aus Nichts kann Nichts werden und Etwas kann nicht Nichts werden. Es gibt also kein Anfang und kein Ende, kein getrenntes Sein und Nichtsein. Auch wir Menschen bestehen aus „Nicht-Selbst-Elementen“, wie Thich Nhat Hanh es formuliert. In seinem jetzt auf Deutsch erschienenen Buch schreibt er: „Ich bestehe aus Erde, Wasser, Luft und Feuer. Wenn ich tiefer schaue, kann ich sehen, dass ich in einem früheren Leben auch eine Wolke war. Das ist keine poetische Sicht, sondern eine wissenschaftliche.“
Thich Nhat Hanh hat das Herz-Sutra neu übersetzt und an einigen Stellen ergänzt, so dass westliche Menschen es besser verstehen können. Darüber hinaus hat er wichtige Begriffe aus dem Herz-Sutra erklärt. So wird ganz deutlich, dass „Form und Leerheit“ mit „Nicht-Selbst“, „Vergänglichkeit“, „Intersein“ oder „Unbeständigkeit“ eng verknüpft sind. Beispielsweise ist ein leeres Glas nicht leer, sondern beinhaltet zumindest Luft. Auch wird klar, dass mit „Leerheit“ nicht nichts gemeint ist, sondern Leersein von einem eigenständigen Selbst, eben weil das Selbst sich nur aus Nicht-Selbst-Elementen
zusammensetzt. Sie finden unter bestimmten Bedingungen zusammen und trennen sich wieder. Deshalb gibt es nicht ein Leben und einen Tod, sondern Kreisläufe. In seinem Buch vermittelt Thich Nhat Hanh seine Sichtweise ohne jeden missionarischen Eifer. Bilder, Geschichten und Gleichnisse aus dem östlichen Kulturraum tragen zum Verständnis bei und erweitern den Horizont.
Ursula Reinsch