Sylvain Tesson

Der Schneeleopard

Heft: 02 | 2022 Nahrung
Verlag:Rowohlt Verlag
Ort:Hamburg
Jahr:2021
ISBN:978-3-498-00216-9
Preis:20,00 €
Seiten:191
Aus dem Französischen übersetzt von Nicolas Denis
Hardcover mit Schutzumschlag
 


Rezension

Wer dieses Buch liest, sollte sich eine Daunenjacke anziehen oder eine Wärmflasche zur Brust nehmen. Denn es ist Winter in Tibet und kalt im Biwak, in dem vier Personen auf den Schneeleoparden warten. Ein großes Tier, das sich vor den Menschen versteckt, um so zu tun, als wäre es ausgestorben.

Als der Schriftsteller und Reisende Sylvain Tesson von dem Tierfotografen Vincent Munier eingeladen wird, an einer Expedition ins tibetische Hochland teilzunehmen und einen Bericht darüber zu verfassen, sagt er sofort zu. Seine poetisch einfühlsame Sprache entführt die Lesenden nicht nur in eine karge Landschaft voller Felsen, Schnee und Himmelsnähe, sondern auch in eine Stille, die nötig ist, um ein scheues Wesen zu entdecken, das sich auf einem Rückzug zu befinden scheint. Mit klaren Worten, die sich auch dem Kennenlernen der Mitreisenden und den Beziehungen in der Gruppe widmen, entzaubert Sylvain Tesson einige idealisierte Tibetvorstellungen auf eine wunderbare Art und Weise. So ist es dem Autor mit seinem Buch gelungen, zum, wie es der Klappentext ausdrückt, „perfekten Gegenmittel wider den zeitgenössischen Wahnsinn“ zu werden. Mit diesen Spitzen hat er einen Nerv getroffen, denn sein Reisebericht war 2019 in Frankreich das meistverkaufte Buch.

„Der Schneeleopard“ ist zwar kein buddhistisches Buch, aber mit seiner präzisen Sprache und seiner Konzentration auf das gegenwärtige Geschehen lässt Sylvain Tesson in den Lesenden nicht nur das Gefühl entstehen, an einem Abenteuer teilzunehmen, sondern auch in Kontakt zu sein mit der lehrenden Leere der Natur, die kaum bewohnte Hochebene zwischen Golmud und Lhasa zu durchqueren, versteckt in einer offenen Weite zu liegen, stundenlang bewegungslos mit dem Feldstecher die Ferne abzusuchen, fast selbst wie ein Leopard ein großartiges Land zu durchstreifen. Sylvain Tesson beschreibt ein faszinierendes und ehrliches Erlebnis auf dieser unserer Erde, in deren Biosphäre derzeit alles Wilde und Natürliche zerstört wird.

Manfred Folkers

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