Der Fließweg
Gedanken zum Daodejing des Laozi
Heft: | 03 | 2024 Geist |
Verlag: | Tyrolia |
Ort: | Innsbruck |
Jahr: | 2024 |
ISBN: | 978-3-7022-4177-3 |
Preis: | 22 Euro |
Seiten: | 176 |
Gebunden | |
Rezension
Das Daodejing ist nach der Bibel und noch vor „Das Kapital“ von Karl Marx das am weitesten verbreitete und meistübersetzte Buch. Es gilt als Gründungswerk des Daoismus, aber ob es Laozi, den mutmaßlichen Verfasser, tatsächlich gegeben hat, ist ungewiss, so auch die Entstehungszeit des Textes, vermutlich um 400 vor unserer Zeitrechnung.
Auch im Deutschen ist das Daodejing ein beliebter Klassiker und es gibt zahlreiche Übertragungen des Textes. Die vorhandenen haben dem mittlerweile fast 98-jährigen Benediktinermönch Bruder David Steindl-Rast den Originaltext nicht wirklich nahebringen können. Bis er auf die Übertragung des Daodejing in Berndeutsch stieß mit dem Titel „vo wäge DO“, geschrieben von Balts Nill, einem Schweizer Multiinstrumentalisten und Journalisten. Davon fühlte er sich zutiefst inspiriert und hat nun seinerseits diese Fassung ins Hochdeutsche übertragen. Ergänzt hat er sie durch eigene kurze Kommentare, Gedichte aus verschiedenen Zeiten und Bibelstellen – ein Echo seiner eigenen jüdisch-christlichen Spiritualität auf Aussagen des Daodejing.
Seinem Verständnis nach kommt im frühen Daoismus eine „uns Menschen gemeinsame Ur-Religiosität mit besonderer Kraft und Klarheit“ zum Ausdruck. Diese vergleicht er mit einer unterirdischen Wasserader, „die jede der verschiedenen Religionen mit ihrem eigenen Brunnen anzapft. Das Wasser ist ein und dasselbe, die Brunnen aber sind sehr verschieden. Oft sind sie aufwendig, prunkvoll und ornamentreich.“
Der Daoismus im Daodejing ist dagegen für ihn ein schlichter Holztrog am Wegrand. Wie Balts Nill in seinem Nachwort schreibt, hat das Daodejing „Eigenschaften eines alten Liedes, das sich durch all die Varianten und die vielen Übertragungen stets erneuert.“ Bruder David hat mit seiner Übertragung und seinen Kommentaren eine neue Tönung dieses alten Liedes geschaffen; sie kann den Leserinnen und Lesern neue Nuancen des alten Weisheitstextes erschließen. Ein Buch zum Genießen mit allen Sinnen und offenem Herzen.