Rezension
Kann Achtsamkeitsmeditation psychische Störungen heilen? Diese spannende Frage stellt der Psychotherapeut und ehemalige buddhistische Mönch Jan Benda in seinem Buch „Das achtsame Selbst“ und macht deutlich: Meditation und Psychotherapie haben unterschiedliche Ziele. Während es in der Meditation darum geht, sich vom Kreislauf der Wiedergeburten, Samsara, zu befreien, möchte die Psychotherapie helfen, zufrieden im Samsara zu leben. Achtsamkeit kann in der Therapie wertvolle Dienste leisten, doch die tiefgreifende Veränderung maladaptiver Schemata – der inneren Strukturen vieler psychischer Leiden – geschieht nach Jan Benda vor allem durch korrektive emotionale Erfahrungen in heilsamen zwischenmenschlichen Beziehungen, etwa zwischen Therapierenden und Klientinnen und Klienten.
Das Buch betont die Kraft des Selbstmitgefühls und beleuchtet, wie persönliche und spirituelle Entwicklung einander inspirieren, sich aber auch voneinander unterscheiden. Mit seinem Konzept der achtsamkeitsinformierten integrativen Psychotherapie schafft der Autor eine Brücke zwischen moderner Psychotherapie, buddhistischer Psychologie, Neurowissenschaft und sogar psychedelischer Forschung.
Der erste Teil des Buches nutzt die buddhistische Lehre der bedingten Entstehung und zeigt, dass sich im Kern psychischer Störungen vier „transdiagnostische Elemente“ erkennen lassen, also Symptome, die einander ähnlich sind, obwohl die Patientinnen und Patienten unterschiedliche Diagnosen erhalten haben. Dazu gehören: falsche Kernüberzeugungen, Schmerzen, Abwehrmechanismen und archaische Ich-Zustände. Im zweiten Teil beschreibt der Autor vier Typen des verletzten Selbst – das verlorene, das verlassene, das minderwertige und das aufgeblähte Selbst – und erklärt, wie sie entstehen und geheilt werden können. Erst wenn das verletzte Selbst transformiert ist, können sich das authentische und das transzendente Selbst entfalten, führt er aus. Ihnen widmet er den dritten und vierten Teil des Buches.
Mit Humor warnt Jan Benda zudem vor „achtsamen Zombies“, „spirituellen Narzissten“ und „erleuchteten Realitätsflüchtlingen“. Mit zahlreichen Fallbeispielen, zwanzig praktischen Übungen und einem frischen Blick auf die Schnittstellen zwischen Therapie und Meditation ist dem Autor eine inspirierende Lektüre gelungen, die psychische Heilung auf einer tieferen Ebene zu verstehen hilft.
Manuela Štursová


