Mathias Schneider

Buddhistische Interpretationen Jesu

Eine religionshistorische und theologische Studie. Beiträge zu einer Theologie der Religionen, Band 26

Heft: 03 | 2024 Geist
Verlag:Theologischer Verlag
Ort:Zürich
Jahr:2023
ISBN:978-3-290-18569-5
Preis:84 Euro
Seiten:656
Kartoniert
 


Rezension

Wie haben die unterschiedlichen buddhistischen Traditionen Jesus Christus wahrgenommen, rezipiert und bewertet? Dieser Frage geht der Religionswissenschaftler Mathias Schneider in einer umfangreichen Dissertation nach. Detailliert untersucht er in drei zentralen Kapiteln, wie Jesus im Theravada-, Mahayana- und Vajrayana-Buddhismus wahrgenommen und interpretiert wurde. 

Nicht besonders überrascht die Einsicht, dass buddhistische Reaktionen auf das Christentum nicht im luftleeren Raum entstanden. Sie hingen immer von den Erfahrungen ab, die Buddhistinnen und Buddhisten mit Christinnen und Christen gemacht hatten. Je nachdem, ob sie ihnen mit Wertschätzung oder Geringschätzung begegneten, wurde die jeweilige Haltung zurückgespiegelt, führt der Autor aus. Eine eher negativ erlebte Begegnung provozierte in der Regel entsprechende Abwehrhaltungen. Das betrifft insbesondere die Länder und Epochen der Kolonialzeit. Missionare wurden als Handlanger und Werkzeuge der Invasoren begriffen, abgelehnt und mitunter auch bekämpft. 

Die christliche Lehre erschien Buddhistinnen und Buddhisten dann als Versuch religiöser Unterwanderung – zumal das christliche Konzept eines Schöpfergottes dem buddhistischen Weltbild diametral gegenüberstand. Ein Jesus, der sich als Sohn dieses Gottes verstand, konnte nur als verblendet und nicht erleuchtet wahrgenommen werden. Als besonders abstrus erschien, dass der Christengott seinen einzigen Sohn am Kreuz opferte. Dieser barbarisch anmutende Akt widersprach dem buddhistischen Ideal der Gewaltlosigkeit. 

Die japanischen Interpreten des 17. Jahrhunderts, so ist im Buch weiterzulesen, verwarfen den Auferstehungsgedanken als böswillige Fiktion. Mathias Schneider findet dafür auch ein eindrückliches Beispiel: Noch im 20. Jahrhundert beurteilte Daisetsu Teitaro Suzuki, bekannter Autor von Zen-Büchern und Pionier der Vermittlung des Zen-Buddhismus in den Westen, den Auferstehungsglauben als verblendete, materialistische Bewältigungsstrategie christlicher Menschen, um den Tod ihres Meisters zu verwinden. 

Anders war das in Tibet, das westlich-christliche Kolonialmächte nicht besetzten. Deshalb konnten tibetische Lamas mit christlichen Einflüssen deutlich entspannter umgehen, meint Mathias Schneider. Und so erklärt sich für ihn auch, weshalb sich der Dalai Lama bei seinem Bestreben, Tibets religiöse und politische Unabhängigkeit zu stärken, gern westlicher Sympathien versichert. 

Außer dem Dalai Lama interpretierten auch Thich Nhat Thanh und Ayya Khema die Figur Jesu als Bodhisattva und seine Bergpredigt als Ausdruck von Mitgefühl und Metta. Beiden bedeutenden Vertreter:innen des westlichen Buddhismus ist in dieser theologischen Studie ein eigener Abschnitt gewidmet. Insgesamt handelt es sich um eine anspruchsvolle Lektüre, die sich vor allem an theologisch interessierte Leserinnen und Leser richtet. 

Michael Schornstheimer

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