Auf dem Weg
Eine Reise zum wahren Sinn des Lebens
Heft: | 03 | 2020 Transformation |
Verlag: | btb Verlag |
Ort: | München |
Jahr: | 2019 |
ISBN: | 978-3-442-75826-5 |
Preis: | 20,00 € |
Seiten: | 384 |
Co-Autorin Helen Tworkow. Aus dem Englischen von Liselotte Prugger. | |
Hardcover mit Schutzumschlag | |
Rezension
Yongey Mingyur Rinpoche, 1975 in Nepal geboren, wurde bereits als Kind in tibetischer Philosophie und Meditation ausgebildet und nahm schon früh an strengen Meditations-Retreats teil. Neben dem umfangreichen Studium der Meditation und der philosophischen Traditionen des tibetischen Buddhismus widmete sich Mingyur Rinpoche auch der westlichen Wissenschaft und hier besonders der Psychologie. Im Jahr 2011 entschloss er sich, ein mehrjähriges Wander-Retreat durchzuführen. Zu dieser Zeit war er Abt eines Klosters im indischen Bodhgaya, lehrte an verschiedenen Zentren weltweit, war behütet, privilegiert und musste sich nicht um praktische, alltägliche Angelegenheiten kümmern. Die Flucht aus dem Kloster bereitete er akribisch vor, verließ es in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und hinterließ nur einen Abschiedsbrief.
In „Auf dem Weg“ beschreibt Mingyur Rinpoche zwar nur die ersten Tage seines Retreats, aber diese sind aufgrund des krassen Wechsels vom Behütetsein zum Überlebenskampf in Indien voller intensiver Erlebnisse. Er betritt eine ihm fremde Welt, in der er ein „Niemand“ und seine Robe unbedeutend ist. Seine erste längere Zugfahrt in einem der überfüllten Wagen der untersten Preisklasse schildert er sehr offen und ohne Beschönigungen. Sein Geist rutscht immer wieder ins Negative, aber mit Anstrengung und seiner Erfahrung in Meditation kann er ihn wieder zur Ruhe bringen. Seine ausführliche Beschreibung dieses Prozesses vermittelt einen guten Eindruck davon, wie wir die meditative Schulung in schwierigen Situationen im Alltag anwenden können.
Als Mingyur Rinpoche zum ersten Mal um Essen betteln muss, kämpft er nicht nur mit der Scham, sondern auch mit einer schweren Durchfallerkrankung, an der er fast stirbt. Er lässt uns an seinen inneren Erlebnissen, die von Widerstand und Verzweiflung bis zu Akzeptanz und Einverständnis reichen, eingehend und schonungslos ehrlich teilhaben und inspiriert dazu, uns mit der Buddhalehre auseinanderzusetzen und sie anzuwenden.
Die Lektüre ist sehr spannend, bewegend und alltagsnah. Jedoch hätten sowohl die Übersetzung als auch das Lektorat sorgfältiger sein können. Der deutsche Untertitel „Eine Reise zum wahren Sinn des Lebens“ ist beliebig und sogar irreführend. Ganz anders der englische Untertitel „A Monk’s Journey through the Bardos of Living and Dying“. Denn genau darum geht es in diesem Buch: Die Reise eines Mönchs durch die Bardos des Lebens und Sterbens.
Traudel Reiß