Anfänge
Sämtliche Essays
Heft: | 02 | 2022 Nahrung |
Verlag: | Path Press Publications |
Ort: | Vollezelle, Belgien |
Jahr: | 2021 |
ISBN: | 978-3-460900-37-2 |
Preis: | 25,00 € |
Seiten: | 329 |
Aus dem Englischen übersetzt von Mettiko Bhikkhu, Wolfgang Neufing und Mathias Weber | |
Paperback | |
Bestellung auf Website: | https://www.pathpresspublications.com/en/page/books/detail/62/Anfange |
Rezension
Kratzen, wo’s juckt – in allen seinen Werken greift Samanera Bodhesako auf das Bild des Juckreizes zurück, um das Wesen unserer Existenz zu erklären, die ironischerweise von einem süchtigen, nie zu stillenden Begehren nach genau diesem Juckreiz bestimmt sein soll. Verlangen nach Jucken, um das Kratzen genießen zu können? Ist unser Geist wirklich so verdunkelt? Erhellende Antworten auf diese und andere essenzielle Fragen lassen sich in Bodhesakos Abhandlungen finden, die auf den Pali-Sutten des Buddha basieren und hier – sorgfältig und sachkundig übersetzt – erstmals vollständig auf Deutsch vorliegen.
Eben der Paliüberlieferung widmet sich der erste Essay „Am Anfang: die Pali-Sutten“. Thematisiert werden Ursprung, Authentizität, Einwände, durchaus historisch fundiert, wenngleich es nicht das Anliegen des Autors ist, die historische Entstehung der Sutten zu schildern. Im Mittelpunkt steht vielmehr ihre Tauglichkeit zur Befreiung aus „jenen endlosen Runden von Zeitvertreib“.
Dem ungetrübten Glück der Nicht-Anhaftung an alles Vergängliche geht voraus, dass man es als notwendig erkennt, seine bisherigen Sichtweisen zu ändern, und die Natur der Unbeständigkeit versteht. Das arbeitet Bodhesako fein heraus und thematisiert es ausführlich, spannend, teils überraschend und intellektuell herausfordernd auf mehr als hundert Seiten im zweiten Essay, „Veränderung“, der als der zentrale Essay dieses Buchs betrachtet werden darf.
Der allgegenwärtige Irrsinn des Unwissens in „Catch-22“, „Der Mythos von Sisyphus“ und die Endlosigkeit unserer Aktivitäten, „Glaube“ und der Weg zum Wissen, eine detaillierte Analyse von „Sein und Durst“ sowie am Schluss einige „Vermischte Stücke“ schließen sich an. Zu Letzteren gehört mit „Ein Brief über sankhara“ (Formation, Gestaltung, geistiges Gestalten) eine besonders für Palikenner:innen aufschlussreiche, für mich nicht ohne Weiteres zugängliche Betrachtung über einen Begriff mit herausragender Bedeutung.
Die Essays regen dazu an, eigene Anschauungen zu reflektieren und zu hinterfragen. Scharfsinnige Betrachtungen zu den wirklich wichtigen Themen unseres Daseins, wie dem Erkennen der allgegenwärtigen Unzulänglichkeit und dem Weg der Auflösung des Leidens, kennzeichnen jede einzelne Abhandlung. Kurzum: ein schönes, wertvolles Buch, das eine inspirierende Lektüre bietet.
Manfred Schneider