Auf den Spuren des Buddhismus in Bhutan

Ein Beitrag von Bernita Müller veröffentlicht in der Ausgabe 2018/1 Liebe unter der Rubrik Reportage.
Gebetsfahnen in Bhutan | © Simon Monk

Bhutans Kultur ist tief im Buddhismus verwurzelt. Weil sie nach wie vor sehr lebendig ist, kann sie eine Quelle der Inspiration für Buddhistinnen und Buddhisten aus dem Westen sein. Bernita Müller auf Spurensuche im „Land des Donnerdrachens“.

Die Geschichte Bhutans, wie wir sie kennen, beginnt mit dem Buddhismus. Natürlich war das Land des Donnerdrachens schon vor dem 8. Jahrhundert besiedelt, aber aus dieser Zeit gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen.

Als tibetische und indische Mönche nach Bhutan kamen, allen voran der legendäre Guru Rinpoche, stießen sie viele religiöse, kulturelle und politische Veränderungen an. Seit dem 12. Jahrhundert ist der Lamaismus die Staatsreligion in Bhutan, seine Würdenträger wiederum sind nicht nur religiöse, sondern auch politische Akteure. Ihre Klöster waren Festungen, die vor Angriffen schützen sollten, und Stützen des Feudalsystems. Noch heute übernehmen Mönche weltliche Verwaltungsaufgaben und spielen eine wichtige Rolle im Bildungssystem.    

Eine der interessanten Entwicklungen, die aus der Verschränkung von Religion und Regierungsgewalt hervorgegangen sind, ist sicher das weltweit einmalige und viel diskutierte Bruttonationalglück. 

Glück als Staatsaufgabe

Bhutan ist eine Monarchie, die ihren König als Reinkarnation Buddhas verehrt. Als religiöser Würdenträger muss er buddhistische Tugenden repräsentieren und sich für das Wohl der Menschen einsetzen. 

Deshalb ist der Erhalt der Natur sehr wichtig in Bhutan. Aber es  ist auch nur folgerichtig, ein Konzept wie das Bruttonationalglück zu entwickeln. So möchte die Regierung anhand standardisierter Fragebögen herausfinden, was das Volk wirklich will. Viele Bhutanesen wünschen sich zum Beispiel eine bessere Infrastruktur, um mobiler zu sein. Also baut der Staat Straßen. Was sich die Deutschen von ihrem Staat wohl wünschen würden, wenn man sie fragte?

Buddhistische Mentalität? 

Der Buddhismus prägt natürlich nicht nur das staatliche Handeln, sondern auch das alltägliche Miteinander. Mit Bhutanesen kann man gut in die Stille gehen: Sie plappern nicht drauflos, wenn es nichts zu sagen gibt. Sie haben einen wunderbaren Humor, freuen sich über Interesse an ihrer Kultur und sind sehr geduldig. Und respektvoll.

Als ich einmal zu Pferd in ein Dorf ritt, begleitet von einigen Bhutanesen, zog ein Mann am Straßenrand respektvoll seinen Hut vor mir. Ich habe mittlerweile über 25 Länder bereist, aber das ist mir noch nie passiert. 

In Bhutan hatte ich überall, wo ich hinkam, das Gefühl, herzlich empfangen zu werden. Vielleicht wurzelt diese Freundlichkeit wie das Bruttonationalglück in der aufrichtigen Fürsorge um das Wohlergehen anderer. 

Bhutan, DochuLa Pass | © Göran Höglund – Kartläsarn

Buddhistisch-animistische Kultur im Alltag

Rund 72 Prozent der Bhutanesen sind Buddhistinnen und Buddhisten. Viele sind tief in ihrem Glauben verwurzelt, trotz Handy und Fernsehen, Autos und Bars. Das sieht man zum Beispiel daran, dass es überall Chörten, Mani-Mauern und Gebetsfahnen gibt, die manchmal an steilen Hängen im Wind flattern. Die Dörfer wiederum scharen sich um Tempel und Klöster, wo sich Gouverneure und Äbte gleichermaßen niedergelassen haben.  

Der Buddhismus ist zwar die dominante Religion des Landes und hat die Kultur Bhutans stark geprägt, aber animistische Elemente sind immer noch lebendig. So sieht man an vielen Häusern Phallus-Symbole, die Schutz und Glück bringen sollen. Zwar gibt es auch eine buddhistische Rechtfertigung für diese Tradition, hat doch der Buddhist und „heilige Narr“ Drukpa Künley mit der Zurschaustellung seines Penis Dämonen bekämpft, doch die Wurzeln dieses Brauchs scheinen viel tiefer zu sein. 

Überhaupt ist der Glaube an Geister nach wie vor weit verbreitet in Bhutan. So dienen auch bestimmte Farben und Proportionen der Gebäude dazu, böse Dämonen abzuwehren. 

Klosterleben zwischen Tradition und Moderne

Mönche und Nonnen sind in Bhutan nach wie vor sehr angesehen. Nicht jeder kommt schon als Kind ins Kloster, manche treten auch als Erwachsene ein, wenn der Nachwuchs auf eigenen Beinen steht. Das gilt nicht als Eskapismus, sondern ist gesellschaftlich anerkannt. 

Ein Tag im Kloster beginnt um fünf Uhr morgens: Gebete, Meditation, Studium und Arbeit wechseln sich ab, bis es um neun oder zehn Uhr abends Zeit zum Schlafengehen ist. Es ist eine andere Welt. Sie wurzelt in einer anderen Zeit, hat aber heute noch Bestand. 

Mit den Mönchen zu meditieren, ist eine ganz besondere Erfahrung. Die Stille der Berge, die vibrierende Atmosphäre in der Meditationshalle und die Gastfreundschaft der Mönche sind eine große Inspiration. Inmitten dieser einsamen Natur und der freundlichen Menschen darf man einfach nur sein, ohne irgendwohin rennen zu müssen. Alles andere scheint unwichtig. 

Taktsang | © Juan Carlos Madrigal

Bhutanesischen Buddhismus kennenlernen

Wer in diese fremde Welt eintauchen möchte, sollte einiges beachten. Bhutan ist zwar offen für Gäste, verlangt aber, dass Touristen mindestens 250 US-Dollar pro Tag für Transfer, Hotels und Co. ausgeben und über eine Agentur einreisen. So will sich Bhutan vor Bettenburgen und Schnäppchenjägern schützen. Die Einnahmen fließen größtenteils in das Sozial- und Gesundheitssystem des Landes.  

Wer sich besonders für den Buddhismus interessiert, sollte nach Bumthang reisen, wo es sehr viele Klöster gibt. Das ein oder andere Kloster bietet sogar Meditationsprogramme für Gäste an. Offen für Gäste ist beispielsweise das Kloster Tharpaling, wo Interessierte mit dem Lama oder mit jungen Mönchen sprechen können. Auch in Ura gibt es ein Kloster, in dem Reisende ihre Fragen loswerden können. 

Statt sich für ein oder zwei Wochen in einem Kloster einzuquartieren, ist es allerdings zu empfehlen, sich ein Hotelzimmer zu nehmen und tagsüber Zeit im Kloster zu verbringen. Grund sind die sanitären Bedingungen. Bäder und Toiletten entsprechen meist nicht westlichen Standards. 

Eine schöne Gelegenheit, dem ursprünglichen Buddhismus zu begegnen, bieten auch die beliebten Tempel-Festivals. Mehrfach im Jahr finden religiöse Feste statt, die Highlights für die Einheimischen sind. Die Bhutanesen erscheinen in ihrem besten Sonntagsstaat, um Freunde und Bekannte zu treffen, zu beten und den Maskentänzern zuzusehen. Es liegt eine besondere Stimmung in der Luft, die von Räucherwerk, Rezitationen und Zymbeln verstärkt wird. Den Glauben dieser Menschen zu spüren, scheint eines der schönsten Geschenke Bhutans zu sein.  

Bhutans Zukunft

Die bhutanesische Gesellschaft ist im Wandel. Das Land verändert sich zwar nur langsam, weil es großen Wert auf seine Traditionen legt, aber es öffnet sich der modernen Welt immer mehr. Die Jugend will Bollywood-Filme schauen und Hamburger essen, will den Glanz der Städte sehen und im Ausland studieren. Gleichzeitig ist die gesellschaftliche Ordnung teilweise noch so, wie sie schon seit Jahrhunderten ist: Der König wird als Held gefeiert, die buddhistischen Werte regeln das Zusammenleben, Ehen werden arrangiert und auf dem Land lebt man hauptsächlich von den eigenen Agrarerzeugnissen. 

Dieser Parallelismus aus Tradition und Moderne ist für Reisende aus dem Westen besonders interessant. Der Buddhismus ist in Bhutan gleichzeitig in der Vergangenheit und in der Gegenwart verankert und strahlt eine große Kraft aus.   

Quellen und weiterführende Literatur

Obrecht A. (Hg.): Sanfte Transformation im Königreich Bhutan. Wien 2010: Böhlau Verlag.

Bendick C.: Phallusdarstellungen in Bhutan. In: Der Urologe 2010 (49).

Leaming L.: Lachen im Land des Donnerdrachens. München 2011: nymphenburger.

Pfaff T.: Das Bruttonationalglück aus ordnungspolitischer Sicht: Eine Analyse des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems Bhutans. Online abgerufen am 19.10.2017. 

Bernita Müller

Bernita Müller war schon oft in Bhutan. Sie schloss Ausbildungen in Yoga und Meditation ab, arbeitete viele Jahre in der Touristik und gründete schließlich Wainando, eine Online-Reiseagentur mit den Schwerpunkten Meditation und Sinnreisen. Darunter sind auch Reisen nach Bhutan, dem „Land des Donnerdrachens“, inklusive Klosteraufenthalten.

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