„Kann ich jetzt zur Meditation nach Myanmar reisen?“
15. Januar 2024
Von Joah McGee, dem Gründer von Insight Myanmar und BetterBurma
Vor dem Militärputsch in Myanmar erhielt ich häufig Nachrichten von ausländischen Meditierenden, die sich erkundigten, wo sie praktizieren und ordinieren und wie sie Pilgerreisen organisieren könnten. Sie wandten sich an mich, weil mein Name aufgrund meines langjährigen Engagements in dem Land und der meditationsbezogenen Projekte, die ich dort durchgeführt hatte, bekannt geworden war. Ich weiß zwar nicht, wie viele Ausländer mich irgendwann einmal um Hilfe gebeten haben, aber ich wette, es sind mehrere Hundert.
Ich erhalte weiterhin Nachrichten von Menschen, die nach Myanmar reisen wollen, um dort zu meditieren, und die mich entweder nach meiner Meinung über die Sicherheit oder die Ethik einer solchen Reise fragen… oder die einfach Hilfe bei der Planung einer Reise wünschen, zu der sie sich bereits entschlossen haben. Da diese Anfragen immer häufiger in meinem Posteingang landen, poste ich dies als einen offenen Brief für alle, die derzeit eine Reise nach Myanmar in Erwägung ziehen.
Liebe Mit-Meditierende,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich kann Ihr Interesse, nach Myanmar zu reisen, um dort zu meditieren und vielleicht in einem Kloster zu wohnen, gut verstehen. Denn das war auch der Grund, aus dem ich selbst das Land zum ersten Mal besucht habe, in dem ich schließlich fast 15 Jahre gelebt habe. Währenddessen hatte ich viel Zeit damit verbracht, ausländische Praktizierende zu unterstützen, damit sie leichteren Zugang zu den spirituellen Reichtümern des Landes haben. Trotzdem möchte ich Ihnen dringend raten, jetzt nicht nach Myanmar zu reisen. Ich würde Ihnen sogar dringend raten, eine Reise dorthin unter allen Umständen zu vermeiden. Ich sage dies aus mehreren Gründen.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Krise und die humanitäre Katastrophe in Myanmar andauern. Einige Leute haben mich gefragt: „Kann ich den Medien vertrauen, ist es wirklich so schlimm, wie sie sagen?“ Meine Antwort lautet: „Es ist tatsächlich viel schlimmer als alle Berichte, die Sie gesehen haben! Der Konflikt hat über zwei Millionen Menschen vertrieben, die nicht wissen, wann sie jemals wieder nach Hause zurückkehren können, wie auf einer kürzlich von Insight Myanmar veranstalteten Podiumsdiskussion diskutiert wurde. Das Militär verhaftet und tötet ungestraft, doch das birmanische Volk leistet weiterhin tapferen Widerstand für eine bessere Zukunft, nach der alle streben.“
An erster Stelle steht natürlich die Frage nach der eigenen Sicherheit. In Anbetracht der derzeitigen Lage unterliegen alle, die behaupten, man könne einem Plan oder einer Reiseroute folgen, die ein gewisses Maß an Sicherheit gewährleistet, entweder einer Wahnvorstellung oder sie sind falsch informiert. Es mag zwar stimmen, dass es in einigen Teilen des Landes mehr Konflikte gibt als in anderen, aber willkürliche Gewalt kann überall entstehen, und das oft ohne Vorwarnung. In ähnlicher Weise erliegt jede und jeder, die oder der behauptet, dass die Meditation in einem Kloster eine Art Schutz darstellt, ebenfalls einer Wahnvorstellung oder ist schlichtweg falsch informiert. Klöster wurden wiederholt bombardiert, geplündert und als Militärstützpunkte missbraucht. Sogar stille Meditationsklausuren wurden gelegentlich angegriffen, wie Kyun Pin Sayadaw kürzlich in einem Podcast beschrieb, wo er auch von Kugeln sprach, die durch Meditationskutis flogen, und von Soldaten, die die Dhamma-Halle stürmten!
Zweitens ist nicht nur Ihre eigene Sicherheit gefährdet, sondern auch die aller Personen, mit denen Sie zu tun haben. Selbst burmesische Menschen, die Sie zufällig oder kurz treffen – ganz zu schweigen von denen, die Ihnen in irgendeiner Weise helfen – können von den örtlichen Behörden verdächtigt werden und müssen mit schlimmen Konsequenzen rechnen… von denen Sie wahrscheinlich nie erfahren werden und die Sie in keinem Fall verhindern können. Jeder spirituelle Nutzen, den Sie aus der Meditation dort ziehen könnten, würde zunichte gemacht, wenn jemand nur wegen Ihrer Anwesenheit dort leiden würde, vor allem jetzt, da Sie sich des damit verbundenen Risikos bewusst sind.
Drittens ist die Wirtschaft Myanmars so gut wie zusammengebrochen; im ganzen Land mangelt es an Lebensmitteln und Wasser. Der humanitäre Zweig unserer gemeinnützigen Organisation Better Burma hat aktiv Reisspenden an Mönche und Nonnen unterstützt, vor allem in lokalen Gemeinschaften, die nicht mehr in der Lage sind, diese und andere notwendige Güter zu beschaffen. Reisende Ausländer würden den Burmesinnen und Burmesen, die kaum oder gar nicht in der Lage sind, über die Runden zu kommen, wertvolle Ressourcen entziehen. Ihr Gastgeber würde dies jedoch wahrscheinlich nie zugeben, da die Burmes:innen sehr großzügig sind und sich nicht gerne beschweren, selbst wenn sie in Not sind, und vor allem, wenn sie spirituelle Bemühungen unterstützen. Man würde Ihnen also das Beste von dem geben, was sie haben, und das in einer Zeit, in der es kaum genug für alle gibt.
Schließlich wird ein Besuch jetzt, ungeachtet der eigenen Absichten, nur dazu dienen, ein mörderisches Regime zu legitimieren. Die Junta hofft in der Tat, dass mehr ausländische Reisende das Land besuchen, denn eine größere Zahl ausländischer Besucher würde dem Regime nicht nur den Anschein von Normalität geben, sondern auch Geld in die Kassen spülen. Eine besonders widerliche Ironie ist, dass es auf höchster Ebene sogar konzertierte Bemühungen gibt, ausländische Mönche zu den Einweihungszeremonien neuer Pagoden und Buddha-Bilder zu bringen.
Dennoch bestehen einige Meditierende darauf, dass sie ihre Reise „für den Dhamma und nicht für die Politik“ machen, oder sie versuchen mir zu versichern, dass sie dafür sorgen können, dass ihr Geld nur die Menschen und Unternehmen vor Ort unterstützt. Aber es tut mir leid, das ist, wieder einmal, wahnhaft, ahnungslos, wissentliches Verschließen der Augen vor der Realität dort… oder einfach magisches Denken. Reisen nach Myanmar sind zu dieser Zeit, aus welchen Gründen auch immer, per Definition politisch, ob man es will oder nicht.
Ich verstehe, dass dies vielleicht nicht die Antwort ist, die Sie sich erhofft haben, und ich bedaure zutiefst, dass ich sie geben muss, denn ich finde es wirklich tragisch, dass das Goldene Land nicht in der Lage ist, seine spirituelle Weisheit wie früher zu teilen; hoffentlich wird sich diese Gelegenheit eines Tages wieder bieten. Aber bis dahin empfehle ich dringend, dass kein ausländischer Reisender oder Meditierender Myanmar besuchen sollte.
Wenn Sie die Lehren der Befreiung wirklich schätzen und für die burmesischen Lehrer oder Traditionen, die sie vermittelt haben, dankbar sind, möchte ich Sie ermutigen, die vielen positiven Möglichkeiten zu erkunden, wie Sie Ihre Dankbarkeit in der Zwischenzeit zeigen können. Eine Möglichkeit ist, informiert zu bleiben. Das können Sie tun, indem Sie sich über die Situation informieren oder unsere Podcast-Folgen anhören. Wenn Sie birmanische Freunde oder Bekannte haben, sollten Sie ihnen mitteilen, dass Sie ein Verbündeter sind. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Sie, wenn Sie etwas mehr Zeit haben, in Erwägung ziehen, ehrenamtlich bei einer lokalen Organisation oder bei uns mitzuarbeiten! Oder verschaffen Sie sich in Ihrer Gemeinde Gehör, indem Sie Leitartikel in der Nachbarschaftszeitung schreiben, online etwas posten oder sich an Ihren örtlichen Abgeordneten wenden. Und schließlich sollten Sie eine Spende an Organisationen zur Unterstützung des birmanischen Volkes oder eine Spende für unsere Mission in Erwägung ziehen.
Es ist bedauerlich, dass ein Ort, der die größte Weisheit beherbergt, die die Welt je gekannt hat, derzeit nicht in der Lage ist, spirituelle Aspiranten bedingungslos willkommen zu heißen, wie es einst der Fall war. Wir alle hoffen zutiefst, dass die derzeitige dunkle Periode, in der wir uns befinden, sich bald auflösen wird und dass die Burmes:innen im ganzen Land frei, gesund und sicher sein können. Wir hoffen, dass die Burmes:innen in der Diaspora endlich nach Hause zurückkehren können, und wir wünschen uns, dass Meditierende und Mönche aus der ganzen Welt anreisen können, um wieder eine lebensverändernde Praxis zu finden, die von der warmen Großzügigkeit des Goldenen Landes inspiriert ist.
Joah McGee
Der Text stammt aus dem Newsletter, der von Insight Myanmar am 08. Januar 2024 versandt wurde und wurde zuert auf der Website von InsightMyanmar veröffentlicht.
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