Japan: Buddhistische Mönche helfen Überlebenden von Katastrophen

12. April 2022

Interview über das Café de Monk in Japan. Im Café de Monk bekommen Menschen eine heiße Tasse Tee, ein offenes Ohr und eine freundliche Hand im Rücken – Menschen, deren Herz nach einer Katastrophe „eingefroren“ ist, wie es der buddhistischen Mönch Kaneta Taio ausdrückt, der das mobile Café als Ort und als Konzept entwickelt hat.

In dem 15-minütigen Fernsehbeitrag „Ein sicherer Ort für Überlebende von Katastrophen: Kaneta Taio – Buddhistischer Mönch“ erläutert der Mönch die Entstehungsgeschichte und Idee des Cafés: Seine Wurzeln reichen bis in die Zeit nach dem schweren Erdbeben im Osten Japans im Jahr 2011, das Auswirkungen auf die ganze Welt hatte. Damals wurde Kaneta Taio, Oberpriester der Shin-Ritsu-Tradition in einem 500 Jahre alten Tempel in der Krisenregion, die erste Tote für eine Beerdigungszeremonie gebracht: ein kleines Mädchen, das die fünfte Klasse besucht hatte. Die zweite Tote war eine Schulfreundin des Mädchens. Vor den aufgebahrten Toten und deren Angehörigen rezitierte er ein buddhistisches Sutra. „Es war sehr schwer, diese Rezitation durchzuhalten und sich dann um die Trauernden zu kümmern“, sagt er im Interview, und man sieht ihm an, wie stark ihn das noch immer bewegt. „Niemand weinte, niemand trauerte. Stattdessen standen sie alle da, ausdruckslos, bewegungslos. Sie hatten die Fähigkeit zu jeglicher Emotion verloren.“

Sein starker Wunsch zu helfen hatte seinen Ursprung in diesem Moment. Daraus entstand die Idee, einen Café-Workshop zu veranstalten, in dem die Teilnehmer:innen kleine Statuen kneten und dabei ihren Emotionen wieder freien Lauf lassen konnten. Die Statuen sahen buddhistischen Mönchen ähnlich und repräsentierten Schutzgottheiten, wie sie Kinder und Reisende beschützen. Auch Kaffee, Tee und Kuchen stand kostenlos zur Verfügung. Das oberste Gebot aber war: zuhören, denn das Café sollte einen sicheren Ort bieten, an dem die Menschen ihr Herz öffnen, die Trauer überwinden und zu einem Gefühl des Friedens finden konnten. 

Seit dieser ersten Katastrophe hat sich das Konzept des Café de Monk über Japan ausgebreitet. Jedes Mal, wenn eine Katastrophe passierte, öffnete ein neues Café – aktuell gibt es sie an 14 Orten, und ein Team von mehr als 200 Personen betreut die vielen Tausend Besucherinnen und Besucher – insgesamt waren es bislang mehr als 25 000. Kaneta Taio selbst hat das Café de Monk in den letzten 10 Jahren 371 Mal an 45 Orten angeboten – mit Anteilnahme und viel Humor.

Alle Helfer:innen durchlaufen einen Akkreditierungsprozess und sind nicht notwendigerweise Buddhistinnen oder Buddhisten; Kaneta Taio hat auch Seelsorger anderer spiritueller Traditionen ausgebildet. Die ethische Maxime lautet: „Alle geben ihre Religion am Eingang ab und es wird nicht gepredigt, die ‚Kundinnen und Kunden‘ stehen an erster Stelle. Wir hören nur zu – das ist das Wichtigste an spiritueller Seelsorge!“ 

In Japan ist das Konzept inzwischen in der Gesellschaft angekommen. „Katastrophen öffnen die Augen dafür, was religiöse Praktiken anzubieten haben“, sagt der Mönch. Er möchte weitermachen – ohne die Menschen, die zu ihm kommen, von der Hilfe abhängig zu machen. Am Ende, so sagt er, möchte er von dieser Erde weggehen, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Der anrührende und inspirierende Fernsehbericht steht kostenfrei noch bis zum 13. September 2022 online zur Verfügung.

Kirsten Schulte