Droht Sulak Sivaraksa in Thailand das Gefängnis?

2. November 2017

Sulak Sivaraksa, Historiker, thailändischer Aktivist und prominenter Vertreter des Engagierten Buddhismus, könnte zu einer hohen Haftstrafe verurteilt werden. Sein Vergehen: Er äußerte Zweifel an der „Elefantenschlacht“, die im 16. Jahrhundert stattgefunden haben soll.

Sulak Sivaraksa | © Burt Lum, CC

Sulak Sivaraksa, Professor für Geschichte, 85 Jahre alt und Gründer des Internationalen Netzwerks Engagierter Buddhistinnen und Buddhisten (INEB), könnte für 15 Jahre ins Gefängnis geschickt werden, weil er ein Datum der thailändischen Geschichtsschreibung in Zweifel gezogen hat: eine Schlacht zwischen Truppen der Königshäuser aus Siam (heute: Thailand) und Birma (heute: Myanmar) im Jahr 1592.
Der Vorfall: Im Oktober 2014 hatte Sulak Sivaraksa eine Geschichtskonferenz an der Thammasat Universität in Bangkok besucht. Dort machte er die Kommentare, für die er jetzt möglicherweise vor Gericht gestellt wird. Die sogenannte Elefantenschlacht gilt als einer der wichtigen Momente der Geschichte Thailands. Damals soll der Thaikönig Naresuan der Große den burmesischen Kronprinzen Mingyi Swa im direkten Duell auf dem Rücken von Kriegselefanten besiegt haben. In Thailand gibt es darüber viele Filme und TV-Serien. In Myanmar wird das Duell dagegen nicht erwähnt. Sulak Sivaraksa hatte die Vermutung geäußert, dass die „Elefantenschlacht“ möglicherweise nicht wirklich stattgefunden hat.
Wie Matteo Pistono, Autor einer Biographie über Sivaraksa, Mitte Oktober in dem Magazin „Lion‘s Roar“ berichtete, wurde der Aktivist am 9. Oktober von einem Polizisten in einem Strafverfahren vor ein Militärgericht gestellt. Zwar wurde er noch am selben Tag freigelassen, es wurde ihm jedoch mitgeteilt, dass Militärstaatsanwälte bis zum 7. Dezember entscheiden werden, ob sie mit dem Fall fortfahren werden oder nicht.
In Thailand ist die Königsfamilie durch ein Gesetz vor Majestätsbeleidigung geschützt. Es verbietet Kritik am König, an der Königin, am Kronprinzen oder Regenten. Bei Zuwiderhandlung drohen 15 Jahre Gefängnis.
„Die thailändische Armee betrachtet Naresuan als Nationalheld“, erklärte Sulak am Rande des Gerichtsverfahrens. „Weil ich die Geschichte hinterfrage, denken sie, ich greife ihren großen Helden an. Jetzt sind sie hinter mir her.“ Er sei dem Militärtribunal ausgeliefert, denn in seinem Land gebe es keine Rechtsstaatlichkeit. Sein Biograf Matteo Pistono schreibt: „Majestätsbeleidigung in Thailand ist ein Verbrechen, das irgendwo zwischen Hochverrat und Gotteslästerung liegt und sich spezifisch auf den regierenden Monarchen bezieht. Seit dem Militärputsch im Jahr 2014 wurde das Gesetz jedoch weitgehend dazu verwendet, die Kritiker der Militärjunta zum Schweigen zu bringen.“ Seit dem Putsch von 2014 sollen mehr als 100 Menschen wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden sein.
Der Biograf zitiert außerdem einen Artikel in der Financial Times, wonach die Regeln der Majestätsbeleidigung willkürlich sind und meist heimlich angewandt werden. Jeder können eine Klage gegen irgendjemanden aus welchem ​​Grund auch immer einreichen, wie in mittelalterlichen Hexenprozessen. Diese Klagen würden von der Polizei nur selten abgewiesen, die befürchtet, sonst selbst der Majestätsbeleidigung beschuldigt zu werden.

„Keine Berufung, keine Kaution und keine Anwälte“

Sollte es zu einer Verhandlung kommen, wird Sulak Sivaraksa monatelang im Gefängnis sitzen, ohne die Möglichkeit, eine Kaution zu hinterlegen. „Keine Berufung, keine Kaution und keine Anwälte. So arbeiten die Militärgerichte hier. Es gibt keine Rechtsstaatlichkeit“, erklärte der Aktivist. Dennoch bleibe er guter Stimmung. Es gehe ihm mental gut und er werde sich weiter in Achtsamkeit üben.
Der Angriff auf Sulak Sivaraksa kommt nicht von ungefähr: Seit den 1970er Jahren ist er der prominenteste Sozialkritiker des Landes, der sich nicht davor scheut, die „Säulen“ der thailändischen Gesellschaft – ihre politischen Führer, die staatlich geförderten Klostergemeinschaften und die Monarchie – scharf zu kritisieren. Dafür hat er schon mehrfach Haft und Schikane erfahren, wurde in Gerichtsprozessen jedoch immer freigesprochen. Auch nach dem Militärputsch im Jahr 2014 richtete sich der buddhistische Aktivist mehrfach kritisch an die neuen Diktatoren des Landes.
Im Rahmen der Geschichtskonferenz hatte Sulak Sivaraksa die Konferenzteilnehmer aufgefordert, „nicht einfach an Dinge zu glauben. Andernfalls werden Sie der Propaganda zum Opfer fallen.“ Weil es in Thailand einen neuen Film gibt, der die Elefantenschlacht verherrlicht, fragte der Buddhist in einem Facebook-Posting außerdem: „Wie viele Fußsoldaten starben – jedes Mal, wenn König Naresuan einen Krieg führte? Wie viele ihrer Frauen sind Witwen geworden? Wie viele Kinder wurden zu Waisen? Wenn wir die Geschichte auf diese Weise sehen, werden wir erkennen, dass es wichtig ist, Frieden und nicht Krieg zu suchen.“

Das Internationale Netzwerk Engagierter Buddhistinnen und Buddhisten ruft Menschenrechtsorganisationen nun dazu auf, das thailändische Außenministerium zu kontaktieren. Mitteilungen können an folgende Adresse gerichtet werden:
Mr. Don Pramudwinai
Minister of Foreign Affairs of the Kingdom of Thailand
Ministry of Foreign Affairs
443 Sriayudhya Road, Thung Phaya Thai Sub-district,Ratchathewi, Bangkok 10400.
Tel: 0-2203-5000Fax : 0-2643-5320,643-5314
Email: minister@mfa.go.th

Quellen