„Frieden finden in turbulenten Zeiten“

12. August 2025
Allgemein

Dhamma-Vortrag und Fragerunde mit Ajahn Brahmali beim Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel

Am 24. Juni 2025 hielt der bekannte norwegische Mönch Ajahn Brahmali* einen Dhamma-Vortrag für die Mitarbeitenden des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) in Brüssel.

Er war einer Einladung Ihrer Exzellenz Kanchana Patarachoke, der thailändischen Botschafterin bei der Europäischen Union, gefolgt. Dafür hatte er seine Europatournee unterbrochen und war gemeinsam mit der Ehrwürdigen Vimala aus dem Kloster Tilorien in Belgien zu Gast bei der thailändischen Botschaft. Eine Gruppe um Ayya Vimala hatte seine Tournee organisiert.

Die thailändische Botschaft hatte auch den Vortrag vor dem EAD (Englisch EEAS, Französisch SEAE) organisiert. Der Europäische Auswärtige Dienst ist Teil der Europäischen Union (EU) und unterstützt den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Die Einrichtung arbeitet eng mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen zusammen.

Gruppenfoto: Ajahn Brahmali und Ayya Vimala zusammen mit der thailändischen Botschafterin (4. von rechts), Mitarbeitern der thailändischen Botschaft und des EAD sowie Vorstandsmitgliedern von IMA (Inzichtsmeditatie Antwerpen) und Samita ASBL.
Ajahn Brahmali und Ayya Vimala zusammen mit der thailändischen Botschafterin (4. von rechts), Mitarbeitern der thailändischen Botschaft und des EAD sowie Vorstandsmitgliedern von IMA (Inzichtsmeditatie Antwerpen) und Samita ASBL.

Freundlichkeit und Mitgefühl als Antwort auf globale Turbulenzen

In seinem Vortrag sprach Ajahn Brahmali darüber, wie wir als Individuen auf weltweite Krisen – insbesondere Krieg und Katastrophen – reagieren können. Durch die Entwicklung innerer spiritueller Qualitäten wie Freundlichkeit und Mitgefühl können wir mehr Resilienz aufbauen. Diese beeinflussen unsere Haltung, Wahrnehmung und Absicht – so können selbst schwierige Situationen ins Positive gewendet werden.

Im Zusammenhang mit Konflikten wie dem Krieg in der Ukraine erwähnte er Studien, die zeigten, wie unterschiedlich Menschen auf Krisen reagieren: Einige fühlen sich überwältigt, andere gewinnen ein neues Gefühl von Sinn und Gemeinschaft. Daraus ergibt sich die tiefere Einsicht, dass Glück und Wohlbefinden oft mehr von inneren Qualitäten als von äußeren Umständen bestimmt werden.

Meditation für inneren Frieden und Resilienz

Während des Zweiten Weltkriegs berichteten manche Menschen von gesteigertem Glücksgefühl aufgrund wachsender Gemeinschaft und Mitgefühl. Dies steht in Verbindung mit dem buddhistischen Verständnis von Vergänglichkeit und zeigt, wie sich in schwierigen Zeiten materielle Sorgen zugunsten spiritueller Werte verschieben.

Ajahn Brahmali empfahl Meditation als Weg, inneren Frieden und Widerstandskraft zu entwickeln. Er ermutigte dazu, die Zuflucht in sich selbst zu suchen – statt in der äußeren Welt. Durch die Entwicklung von Mitgefühl und Wohlwollen kann man auf Krisen positiv reagieren und ein Gefühl von Sicherheit und Freiheit bewahren – unabhängig vom äußeren Chaos.

Zeit ist zyklisch

Aus buddhistischer Sicht ist Zeit nicht linear – wie in westlicher Sichtweise –, sondern zyklisch. Historische Konflikte kehren immer wieder, da materielle Bestrebungen spirituelle Entwicklung oft überlagern. Individuell kann man zu einer besseren Welt beitragen, indem man sich auf persönliche Entwicklung und innere Qualitäten konzentriert – anstatt äußere Utopien anzustreben.

Wenn wir alle Menschen als Produkte ihrer Prägung betrachten, fällt es uns leichter, ihr Verhalten zu verstehen und zu vergeben. Durch das Kultivieren von Freundlichkeit und Mitgefühl entsteht innerer Frieden – ein Rückzugsort, unabhängig von der chaotischen Außenwelt. Diese tiefgehende, transformierende Meditationspraxis kann helfen, sich effektiver in einer turbulenten Welt zurechtzufinden.

Nach dem Vortrag leitete Ajahn Brahmali eine kurze, aber intensive Atemmeditation an – der Raum wurde sehr still. Danach war Zeit für Fragen.

Ajahn Brahmali wird vorgestellt, ehe sein Vortrag beginnt.
Ajahn Brahmali wird vorgestellt, ehe sein Vortrag beginnt.

Fragerunde

1. Was ist die buddhistische Sicht auf künstliche Intelligenz (KI)?
„Unser heutiges Wissen über Bewusstsein ist schwach – auch bei Philosophinnen und Philosophen –, was zu unbegründeten Ängsten führt, KI könne Bewusstsein entwickeln. Ich bin gegenüber dieser Möglichkeit skeptisch. Aus buddhistischer Sicht entsteht Bewusstsein durch Wiedergeburt – daran kann KI nicht teilhaben.

Es wird zwar argumentiert, dass bewusste KI ethische Dilemmata mit sich bringen könnte. Und obwohl die Vorteile von KI, etwa in der Medizin, anerkannt werden, bleibt die Zukunft ungewiss. Deshalb sind spirituelle Werte entscheidend, um diese Herausforderungen zu meistern – nicht nur technologische Fortschritte.“

2. Wie geht der Buddhismus mit dem Ego um?
„Das Ego kann problematisch sein, ist aber auch ein natürlicher Teil des Menschseins. Es kann helfen, gesunde Grenzen zu setzen – sollte aber nicht unser Handeln dominieren. In Myanmar z. B. führte eine falsche Identifikation mit dem Buddhismus – also ein aufgeblähtes Ego – zu Gewalt gegen die muslimischen Rohingya. Nur ein ‚gutes Ego‘, das auf spirituellen Werten basiert, kann zu mitfühlendem Verhalten führen. Wir sollten das Ego anerkennen, aber zugleich auf Freundlichkeit und Mitgefühl hinarbeiten.“

    3. Wie können wir sinnvoll mit Smartphones umgehen?
    „Ich verstehe deine Sorge um Smartphones – sie können nützlich, aber auch ablenkend sein. Ich selbst habe kein Smartphone, was sich positiv auf mein Leben ausgewirkt hat.

    Wenn du nicht ganz darauf verzichten kannst, setze dir klare Grenzen – z. B. Nutzung nur zwischen 8 und 20 Uhr. Oder lege es an einen schwer erreichbaren Ort – z. B. in eine Box mit Zeitschloss oder gib es einer Vertrauensperson.

    Alternativ nutze ein einfaches Modell ohne viele Ablenkungen – etwa mit Schwarz-Weiß-Bildschirm. Es gibt viele hilfreiche Tipps online. Ich erkenne die negativen Auswirkungen von Smartphones auf die geistige Gesundheit und danke dir für diese praktische Frage.“

    4. War es gut für die Welt, dass China Tibet erobert hat und der Dalai Lama dadurch im Westen bekannt wurde?
    „Eine interessante Frage. Die Invasion führte zur tibetischen Diaspora, was die buddhistische Landschaft veränderte. Vorher war das Theravada-Buddhismus – durch britischen Einfluss – präsenter. Manche Engländer wandten sich damals dem Buddhismus zu – eine radikale Entscheidung.
    Ob die Invasion gut oder schlecht war, lässt sich schwer sagen. Es kommt auf die Intentionen an. Wenn China negative Absichten hatte, war es schädlich. Wenn die Tibeter mit guten Absichten ihre Kultur verbreiteten, kann das als positiv gesehen werden.“

    5. Kann man im Westen ein buddhistisches Leben führen?
    „Ja, ganz klar. Ich lebe in einem buddhistischen Kloster in Westaustralien – in einer kleinen Waldhütte, umgeben von Kängurus und exotischen Vögeln. Ich kann viele Aspekte des buddhistischen Lebensstils leben, auch wenn es nicht identisch mit der Zeit Buddhas ist.

    Buddhismus bedeutet nicht nur Meditation – was heute oft missverstanden wird. Im Kern geht es um Ethik, Freundlichkeit, Verständnis und Mitgefühl. Diese Werte machen ein sinnvolles Leben aus. Wer ein Weltbild auf Basis von Freundlichkeit annimmt, verändert sein Leben – und wird wie selbstverständlich zur Meditation geführt.

    Die Achtsamkeitsbewegung greift nur einen Teil des buddhistischen Pfads heraus. Obwohl sie ihren Ursprung im Buddhismus hat, bleibt sie oft oberflächlich. Ich denke, dass es heute sehr gut möglich ist, als Laie oder Mönch buddhistische Prinzipien zu leben.

    Ich finde es wunderbar, dass wir heute weltweit Zugang zur buddhistischen Lehre haben. Sie ist wunderschön und kompatibel mit dem modernen Leben, gerade im Westen. Die Lehre Buddhas richtet sich an den Geist und fördert Freundlichkeit – sie ist heute relevanter denn je. Etwa beim Thema ‚rechte Rede‘: nicht lügen, nicht lästern, keine groben Worte, kein sinnloses Geschwätz. Dies ist eine großartige Zeit, um den Buddhismus zu praktizieren und weiterzugeben – er passt hervorragend in eine moderne, säkulare Gesellschaft.“

    Am Ende der inspirierenden Fragen und Antworten schloss eine Beamtin des EAD die Veranstaltung mit einem Dank für den Vortrag ab. Sie sah in der Integration von Meditation in den Arbeitsalltag einen kleinen, aber bedeutenden Schritt hin zu einer friedlicheren Welt.

    In kürzester Zeit gelang es Ajahn Brahmali, die Tiefe und Essenz der buddhistischen Lehren auf verständliche Weise einem hochgebildeten Publikum zu vermitteln – eine Erfahrung, die mich erkennen lässt, wie gesegnet wir sind, Zugang zu solcher Weisheit zu haben. Es motiviert mich, selbst weiter zu praktizieren – und diese zeitlosen Botschaften mit anderen zu teilen.

    Heidi Rommens 
    Insight Meditation Antwerpen

    Vortrag auf YouTube: https://youtu.be/7T1PMWIosMg

    Foto Ajahn. Brahmali vor dem EAD in Brüssel
    Ajahn Brahmali

    *Ajahn Brahmali

    Mahathera Bhikkhu – ein „Großer Älterer“ in der Theravada-Tradition – Ajahn Brahmali stammt aus Norwegen. In seinen Zwanzigern begann er seine klösterliche Ausbildung in den Klöstern Amaravati und Chithurst in England. 1996 wurde er im Bodhinyana-Kloster in Perth, Australien, unter der Leitung von Ajahn Brahmavamso, besser bekannt als Ajahn Brahm, zum Bhikkhu ordiniert. Dort lebt er bis heute. 

    Er ist ein ausgezeichneter Kenner des Pali, der Sprache des Buddha, und ein Experte für die frühbuddhistischen Suttas. Er hat zahlreiche Texte ins Englische übersetzt und mehrere Bücher veröffentlicht. Ajahn Brahmali ist bekannt für seine tiefgründige und zugleich verständliche Vermittlung der buddhistischen Lehre.