Wir brauchen Klarheit und Toleranz
Ein Gespräch von Ursula Richard mit Gunnar Gantzhorn, dem Vorsitzenden und Ratssprecher der Deutschen Buddhistischen Union.
Buddhismus aktuell: Du bist seit 2011 im Rat und seit 2012 im Vorstand und erster Vorsitzender der Deutschen Buddhistischen Union. Hierzulande gibt es eine große Bandbreite an buddhistischen Schulen – wie gelingt dir da die Zusammenarbeit?
Gunnar Gantzhorn: Da, wo Kontakte zu Mitgliedsgemeinschaften bestehen, gelingt das ganz gut. Insgesamt gibt es aus meiner Sicht jedoch noch viel zu wenig Zusammenarbeit. Ich kann daher nur sagen, aus welchem Verständnis heraus ich diese Zusammenarbeit entwickeln möchte. Die DBU ist in erster Linie eine Institution für Buddhistinnen und Buddhisten. Deshalb versuche ich, die Vielfalt des Buddhismus auch abzubilden, zu würdigen, wertzuschätzen und gemeinsam zu entwickeln. Für mich ist es ein ganz wichtiger Antrieb meines Engagements, dass es verschiedene Schulen gibt. Einige können sich recht erfolgreich etablieren und voranbringen. Es gibt aber auch andere, ganz zarte Pflänzchen. Mein Anliegen ist, dieses ganze buddhistische Erbe zu erhalten und zu kultivieren. Schließlich wissen wir nicht, was in dreißig oder mehr Jahren sein wird, und wir erkennen vielleicht auch noch nicht, was mit einem bestimmten Ritual auf einer tieferen Ebene verbunden ist. Es ist auch nicht notwendigerweise so, dass die Medizin, die mir am besten schmeckt, auch die heilsamste für mich ist. Bis wir alles das ganz begreifen, wird es noch dauern; darum sollten wir nicht vorschnell sagen: „Das ist nichts für uns im Westen, das lassen wir mal.“ Gerade in dem, was uns kulturell fremd ist, liegen große Chancen für Entwicklung.
BA: Das Motto der DBU ist „Einheit in der Vielfalt“ – können oder sollten die Buddhistinnen und Buddhisten in ihrer Vielfalt zu einer Einstimmigkeit kommen, was das Denken beispielsweise über gesellschaftliche Belange an – geht?
GG: Das halte ich für sehr notwendig und würde das sogar etwas weiter fassen wollen. Die Frage ist: Auf welche Weise setzen wir uns mit diesem Kosmos in Beziehung, und wie unterstützt uns unsere Weltanschauung oder unser Glaube dabei, dass dies wirklich zum Wohl aller Wesen geschieht? Ich glaube, dass wir uns im konkreten Handeln sehr ähnlich sein werden. Darum ist mir die gemeinsame Arbeit an Projekten in der DBU auch so wichtig, denn da können wir Aufgaben formulieren, die einen erkennbaren Nutzen für alle Gruppen mit sich bringen. Ich denke hierbei auch an Themen wie „Buddhismus an Universitäten“ oder „Buddhismus auf Wikipedia“. Diese Gebiete kann keine buddhistische Gemeinschaft allein bearbeiten und keine kann sie ignorieren. Wenn wir auf solchen Feldern gemeinsam tätig werden, wird uns das helfen, die Einheit der Buddhistinnen und Buddhisten deutlich zu machen. Wir werden sehen und zeigen können: Was sind denn wirklich unsere gemeinsamen Themen, an denen wir arbeiten möchten, die uns im Handeln zusammenbringen und die einen Nutzen für alle schaffen?
BA: Dafür müssen wir uns auf grundsätzliche ethische Fragen verständigen.
GG: Sicherlich. Was ist gut für die fühlenden Wesen? Was ist gut für die Welt, für die Gesellschaft? Wenn wir uns hier verständigen, werden wir, ganz gleich, aus welcher Inspiration wir kommen – auf der Ebene des Handelns eine Einheit herstellen können. Gerade in unserer heutigen Zeit ist es wichtig, dass alle Weltanschauungen erkennen, dass sie das einzige beständige Gegenwicht zum neoliberalen Kapitalismus sind, der in immer größerem Maßstab die natürliche und soziale Umwelt zerstört. Und dass sie ethische Werte in sich tragen, die dringend als Gegenwicht zu dieser Übermacht nicht nur formuliert gehören, sondern auch in einen gesellschaftlichen Diskurs eingebracht werden müssen.
ENDE DER LESEPROBE
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Gunnar Gantzhorn
Gunnar Gantzhorn ist Vorsitzender und Ratssprecher der Deutschen Buddhistischen Union (DBU).