Buddhistische Nonnen: Perspektiven für das 21. Jahrhundert

Ein Beitrag von Gabriela Frey veröffentlicht in der Ausgabe 2019/2 Freundschaft unter der Rubrik Aktuell.

Ordinierte Frauen haben die buddhistische Tradition in Lehre und Praxis geprägt. Dennoch fehlte
es ihnen durch die Jahrhunderte an Unterstützung und Anerkennung. Eine großzügige Spende hat nun die Gründung der „Brambosch-Schaelen-Stiftung der Deutschen Buddhistischen Union“ möglich gemacht. Die neue Stiftung wird ordinierte Frauen in Deutschland auf vielen Ebenen fördern. Gabriela Frey über die Lage buddhistischer Nonnen seit der Zeit des Buddha und über Reformperspektiven.

Mitglieder von Vorstand und Kuratorium der Brambosch-Schaelen-Stiftung der DBU. Von links nach rechts: Ven. Doko Waskönig (Zen-Buddhismus), Ven. Thubten Choedroen (tibetischer Buddhismus), Ven. Miaoshiang (chinesischer Buddhismus), Dr. Carola Roloff (Bhiksuni Jampa Tsedroen), Gabriela Frey (Sakyadhita France)

Zur Zeit des Buddha waren Nonnen geschätzte Lehrerinnen und erreichten höchste spirituelle Ebenen. Dies veranschaulichen sehr schön die Therigatha, eine Sammlung von über 500 Liedern erfahrener Nonnen, von denen die meisten zur Zeit des Buddha lebten. Die Lieder der Therigatha erzählen die Lebensgeschichten der ersten Nonnen. Sie werfen ein Licht auf die tiefe Menschlichkeit dieser außergewöhnlichen Frauen und zeugen von ihren Errungenschaften auf dem Weg zum Erwachen. Damit schenken sie späteren Generationen nicht nur eine lebendige Erinnerung: Sie ermutigen Frauen in heutiger Zeit auch, dem Weg der Pionierinnen zu folgen und das eigene Potenzial zu entwickeln. Schon vor 2 500 Jahren standen Frauen, so zeigen viele Passagen der Therigatha, Männern in der spirituellen Vollendung in nichts nach. Mit ihren brillanten Lehren prägten sie die buddhistische Tradition und mit ihrer gewidmeten Praxis trugen sie – oft in aller Einfachheit – zum Fortbestand der Buddha-Lehre bei.

Die Diskriminierung der Frauen

Dennoch erhielten und erhalten buddhistische Nonnen (und Laienfrauen) bis heute keine angemessene Unterstützung und Anerkennung. Wie konnte es dazu kommen? Viele asiatisch-buddhistische Länder sind stark patriarchalisch geprägt. Jahrhundertelang wurde Frauen im Theravada-Buddhismus, aber auch in den meisten Mahayana-Richtungen die volle Nonnenordination verweigert, obgleich diese Möglichkeit einst vom Buddha selbst geschaffen worden ist.

Gerechtfertigt wurde und wird diese Diskriminierung mit Passagen in den Lehrreden des Buddha, die man als Beleg für die Minderwertigkeit von Frauen interpretiert. Eine berühmte Stelle findet sich im Palikanon, und zwar in der Angereihten Sammlung, Anguttara Nikaya. In Kapitel 8, Vers 51 geht es dort um die Gründung des Nonnenordens. Der Text berichtet, dass der Buddha auf Bitten seines Schülers Ananda der Aufnahme von Frauen in den Sangha nur unter einer Bedingung zustimmte: dass die Nonnen acht sogenannte schwere Regeln (garudhamma) einhalten und sich den Mönchen unterordnen sollten – ähnlich wie im alten Indien Töchter ihren Vätern, Ehefrauen ihren Ehemännern und Mütter ihren Söhnen untergeordnet waren. Mahapajapati, die Tante und Pflegemutter des Buddha, soll diese Unterordnung einige Zeit infrage gestellt haben. Der Buddha soll ihre Bitte jedoch mit dem Hinweis zurückgewiesen haben, dass eine Gleichstellung der Frauen außerhalb buddhistischer Kreise keine gesellschaftliche Akzeptanz finden werde.

„Frei und gleich an Würde und Rechten geboren“

In den mehr als 2 500 Jahren, die seit den Lebzeiten des Buddha vergangen sind, haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen stark verändert. Im 20. Jahrhundert konnten sich Frauen gegen massive Widerstände immer mehr Gleichberechtigung erkämpfen. Sie beriefen sich dabei unter anderem auf die seit 1948 international gültigen Menschenrechte, wo es in Artikel 1 heißt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“. Artikel 2 spricht diese Rechte jedem Menschen ohne Unterschied des Geschlechts zu.

Auch in der buddhistischen Welt wollten engagierte Frauen schon in den 1970er-Jahren die offensichtliche Diskrepanz zwischen den Lehren des Buddha und der gelebten Wirklichkeit nicht länger hinnehmen. Sie machten unter anderem die Benachteiligung von Nonnen weltweit zum Thema. Die vom Buddha eingeführte Frauenordination war sowohl in der Religionsgeschichte wie auch im damaligen Indien eine Pioniertat – das macht es umso wichtiger, in der heutigen Zeit wieder darauf zurückzugreifen.

In den letzten Jahrzehnten haben sich mehrere wichtige Organisationen gegründet, um das Anliegen voranzutreiben, wie Sakyadhita International (Vereinigung Buddhistischer Frauen), Sakyadhita France/Netzwerk Buddhistischer Frauen in Europa, das Committee of Bhikshuni Ordination (CBO) und die Bhikkhuni Alliance.1 Damit Nonnen aller buddhistischen Schulen in ihren eigenen Klöstern ein selbstbestimmtes Leben nach dem Vinaya führen können, ist die volle Ordination unabdingbar, betonen Vertreterinnen dieser Organisationen. Nur dann können Nonnen das ganze Spektrum einer monastischen Bildung und Ausbildung ausschöpfen und in eigenständigen und unabhängigen Klöstern alle Möglichkeiten eines monastischen Lebens zur Entfaltung bringen. Auch der Wunsch nach dem monastischen Leben selbst wird unter Frauen nur dann wachsen, wenn ihnen eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht.

Zwar gibt es heute voll ordinierte Nonnen in China, Vietnam, Korea und seit wenigen Jahren auch wieder in Klöstern in Sri Lanka und Thailand – dennoch bleibt viel Aufklärungsarbeit zu leisten, damit ein Umdenken stattfindet und die Bevormundung von Frauen durch Männer endlich auch im Buddhismus ein Ende findet. Die Missachtung gleicher Rechte für Männer und Frauen könnte, auch das ist zu bedenken, die Anerkennung des Buddhismus als eine den christlichen Kirchen gleichgestellte Religionsgemeinschaft gefährden. Auch darum sollten Buddhistinnen und Buddhisten der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in ihren Gemeinschaften besondere Aufmerksamkeit schenken und nicht warten, bis die offensichtliche Diskriminierung ordinierter Frauen Gegenstand öffentlicher Kritik oder sogar rechtlicher Auseinandersetzungen wird.

Eine neue Stiftung für buddhistische Nonnen

Ursula Brambosch-Schaelen arbeitete am Albert-Einstein-Gymnasium der nordrhein-westfälischen Stadt Kaarst. Seit den 1980er-Jahren war sie Einzelmitglied der Deutschen Buddhistischen Union. Vermutlich erfuhr sie dort von der schwierigen Lage buddhistischer Frauen und insbesondere buddhistischer Nonnen. Die Studiendirektorin interessierte sich sehr für die Situation von Frauen: Sie unterstützte nicht nur die Herausgabe eines Standardwerks feministischer Theologie, ein „Kompendium Feministischer Bibelauslegung“2, sondern engagierte sich in den 1990er-Jahren auch für ein Frauenhaus in Koblenz für Opfer häuslicher Gewalt. Als Ursula Brambosch-Schaelen 2015 starb, hinterließ sie der Deutschen Buddhistischen Union 500 000 Euro zugunsten buddhistischer Nonnenprojekte. Damit konnte nach einer gut zweijährigen Vorbereitungsphase die „Brambosch-Schaelen-Stiftung der DBU“ am 1. April 2019 ihre Arbeit offiziell aufnehmen.

Zweck der Stiftung ist es, buddhistische Nonnenprojekte zu fördern und buddhistische Frauen auf dem Weg zur Ordination zu unterstützen. Die Stiftung wird öffentliche Aufklärungsarbeit über die Lebensbedingungen buddhistischer Nonnen in unterschiedlichen Traditionen leisten und die Integration buddhistischer Nonnen in der europäischen Gesellschaft fördern. Konkret kann siebuddhistische Nonnen und Ordens-Anwärterinnen in folgenden Bereichen unterstützen:

Schon zur Zeit des Buddha und in den vielen Jahrhunderten danach haben Frauen bewiesen, dass sie mündige Menschen sind, die ihre spirituelle Entwicklung uneingeschränkt in die eigenen Hände nehmen und höchste Verwirklichungen erlangen können. Mit ihrem großzügigen Vermächtnis hat Ursula Brambosch-Schaelen ein Zeichen gesetzt und die finanzielle Grundlage dafür geschaffen, das monastische Leben buddhistischer Frauen nachhaltig zu fördern und zu verbessern. Eines hat die Stifterin sicherlich gewünscht: Nicht der Traditionserhalt soll im Zentrum der Arbeit stehen, sondern es sollen moderne Perspektiven für westliche buddhistische Nonnen eröffnet werden, die im 21. Jahrhundert selbstbestimmt nach dem Vinaya leben möchten.  

Mit ihrer Arbeit in der Stiftung möchten sie das Anliegen ordinierter Buddhistinnen in Deutschland voranbringen. Von links nach rechts: Ven. Miaoshiang (chinesischer Buddhismus), Rev. Vajramala, Ehrenrätin der DBU, Gabriela Frey (Sakyadhita France)

Anmerkungen

  1. www.sakyadhita.org, www.buddhistwomen.eu, www.bhiksuniordination.org, www.bhikkhuni.net
  2. L. Schottroff u. a.: Feminist Interpretation. The Bible in Women’s Perspective, Minneapolis 1998. Die Bücher der Bibel werden hier aus der Perspektive von Frauen neu gelesen, die Zeitgeschichte, in der die beiden Teile der christlichen Bibel entstanden sind, neu rekonstruiert, die Geschichte der Kanonbildung kritisch hinterfragt.

Gabriela Frey

Gabriela Frey, Delegierte von Sakya Kalden Ling in der DBU, Delegierte und Gründerin von Sakyadhita France in der EBU, Repräsentantin der EBU im Europarat und bei der EU. Seit 1989 parlamentarische Assistentin deutscher Abgeordneter im Europäischen Parlament in Straßburg.

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