Buddhismus und lesbisch – feministische Identität sind kein Widerspruch
Im Frühjahr 2000 fand in Köln der viel beachtete Kongress „Frauen und Buddhismus“ statt. Initiiert hatten ihn die beiden buddhistischen Lehrerinnen Sylvia Wetzel und Sylvia Kolk. Einige der lesbischen Teilnehmerinnen organisierten dort, da das Thema „Lesben und Buddhismus“ im Programm nicht vorgesehen war, spontan eine Zusammenkunft. Aus dieser ist dann das „Netzwerk Lesben und Buddhismus“ entstanden. Ursula Richard hat sich mit einigen Fragen an das Netzwerk gewandt.
BA: Welche Bedeutung hat das Netzwerk für eure spirituelle Entwicklung?
Nicole: Ich habe bereits früh erlebt, dass ich „nicht passe“, dass meine Erfahrungen nicht mit der mich umgebenden „Hetero-Normativität“ übereinstimmten. Diese Erfahrung haben viele lesbische Frauen in ähnlicher Weise gemacht und das hat uns stark geprägt – und manches Mal auch verletzt. Unsere Umgangsweisen mit diesen Erfahrungen sind unterschiedlich und damit auch, wie wir uns im Buddhismus bewegen. Im Netzwerk können wir uns in dieser Unterschiedlichkeit zeigen und respektieren. Vor diesem Hintergrund würdigen wir die verschiedenen Traditionen des Buddhismus und die unterschiedlichen Lebenswege der Referentinnen, die wir einladen.
Karin: Ich erlebe im Netzwerk sehr stark, dass jede Frau aus ihren eigenen Erfahrungen kommt und dasselbe Recht wie ich hat, etwas so oder so zu sehen. Über diese Erfahrungen tauschen wir uns aus und erleben und praktizieren Wertschätzung für uns und die anderen. Die Prozesse der Treffen werden eher von der Gruppe getragen, nicht so sehr von einer oder wenigen Personen. Diese Übung des Miteinanders, die Übung, Spiritualität bewusst in konkrete Beziehungen einzubringen, ist für mich persönlich eine sehr bedeutsame, heilsame und grundlegend spirituelle Erfahrung. Manchen Frauen ist es erst auf dieser Basis möglich gewesen, sich auf die Praxis und eine Lehrerin oder einen Lehrer in einer anderen Umgebung einzulassen.
BA: Meiner Erfahrung nach gibt es ja einige lesbische buddhistische Lehrerinnen und auch viele Lesben in buddhistischen Gruppen, aber es ist, so scheint es mir, kaum ein Thema. Drückt sich darin aus, wie selbstverständlich diese Lebensweise mittlerweile geworden ist, oder ist sie nach wie vor mit einem gewissen Tabu belegt?
Petra: Die meisten Menschen im Dharma sind offen, und es gibt, soweit ich sehe, kaum direkte Diskriminierung. Das heißt aber nicht, dass es eine Reflexion über Geschlechterrollen oder gar die eigene sexuelle Orientierung gibt, und die patriarchalen oder zumindest hetero-normativen Strukturen setzen sich vielerorts durch. Dieser Mangel an Reflexion wird leider auch da sehr deutlich, wo sich heterosexuelle Frauen mit dem Thema Frauen und Buddhismus beschäftigen, das dann aber in einer Art und Weise tun, als wären lesbische Frauen nicht existent.
Maria: Buddhistische Gruppen, die lesbische Frauen leiten, werden oft gerne auch von Lesben besucht. Die lesbischen Frauen wissen voneinander, ohne das Lesbisch sein selbst zum Thema zu machen. An solchen Orten können Lesben auf eine unspektakuläre Weise – füreinander – sichtbar sein. Das ist wohltuend im Gegensatz zu gemischten Gruppen, wo lesbisches Verhalten und lesbische Sichtweisen oft irritieren. Räume, die – wenn auch unausgesprochen – durch Lesben gestaltet sind und von Lesben besucht werden, geben mir ein Gefühl von Normalität, das ich ansonsten in der Öffentlichkeit nicht empfinde. Wenn auch bei solchen Veranstaltungen das Lesbisch sein an sich nicht thematisiert wird, dient das meiner Erfahrung nach dem Schutz. Das Thema weckt so widersprüchliche Reaktionen, dass eine Lesbe, die sich, in welcher Runde auch immer, outet, nicht selbstverständlich mit Wohlwollen und Zustimmung rechnen kann…
ENDE DER LESEPROBE
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