Appell des Dalai Lama: Verfolgung der Rohingya muss aufhören
4. März 2017
Der Dalai Lama hat in einem Appell die buddhistische Mehrheitsgesellschaft in Myanmar (Burma) dazu aufgerufen, der Gewalt gegen die muslimische Rohingya-Minderheit ein sofortiges Ende zu setzen. Er schloss sich damit einem ähnlichen Appell von Papst Franziskus an. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Lage der Rohingya inzwischen in einem Bericht als „mögliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „ethnische Säuberung“. Der Appell des Dalai Lama wird am 6./7. März auf der ersten Anhörung zur Lage der Rohingya in Myanmar vor dem „Permanenten Völkertribunal“ verlesen werden.
UN-Bericht meldet massenhafte Gräueltaten
Wie der der „Sydney Morning Herald“ am 3. März berichtete, schreibt der Dalai Lama als spirituelles Oberhaupt der tibetisch-buddhistischen Welt in seinem Appell:
„Alle großen Weltreligionen lehren die Botschaft von Frieden und Mitgefühl. Deshalb ist es besonders traurig, wenn wir davon hören, dass im Namen der Religion Gewalt ausgeübt wird, so wie es derzeit der muslimischen Gemeinschaft in Burma (Myanmar) in unglücklichen Ereignissen widerfährt.“
Der Dalai Lama habe auch bereits persönlich mit der einflussreichsten Politikerin Burmas gesprochen, Aung San Suu Kyi, berichtet die australische Zeitung. Die Friedensnobelpreisträgerin solle, so habe der Dalai sie gebeten Lama, „ihren Einfluss nutzen, um eine friedliche Lösung des Konfliktes herbeizuführen“.
Bereits im Februar hatte sich Papst Franziskus ähnlich zu Wort gemeldet, nachdem die Vereinten Nationen in einem Bericht gemeldet hatten, welche grausamen Gewalttaten den Rohingya in Myanmar von Seiten sowohl des Militärs wie auch von ganz normalen Nachbarinnen und Nachbarn der buddhistischen Mehrheit angetan werden:
Der Bericht listet Massenvergewaltigungen und Morde auf. Menschen werden auf offener Straße zusammengeschlagen, Familien in Häusern eingepfercht und lebendig verbrannt. Als besondere Abscheulichkeit berichtete der UN-Report von einem Baby, dem der Hals durchgeschnitten wurde, während seine Mutter massenvergewaltigt wurde. Weil die Regierung das Siedlungsgebiet der Rohingya – den Rakhine-Staat im Westen Burmas – abgeriegelt hat, sind die Rohingya von internationalen Hilfslieferungen und der Versorgung mit Medikamenten abgeschnitten. Sie leiden unter massiver Mangelernährung, Durchfallerkrankungen und anderen Infektionen.
Friedensnobelpreisträgerin schweigt
Aung San Suu Kyi, die selbst 15 Jahre Hausarrest unter der Militärdiktatur in Burma erfahren hat, hat sich bislang auffallend bedeckt gehalten hat, was die brutale Verfolgung der Rohingya in ihrem Land angeht. Sprecher ihrer Regierung sprachen von „Fake News“ über die Rohingya, denen die Medien aufsäßen. Unbestritten ist die Tatsache, dass die Regierung des Landes 90.000 Angehörige der muslimischen Minderheit seit Oktober 2016 zwangsumgesiedelt hat. 70.000 Menschen sind in der Zeit über die Grenze nach Bangladesh geflohen.
Die Regierung des Landes argumentiert, die Rohingya seien „Bengalis“ und als solche Staatenlose und illegale Einwanderer. Tatsächlich gibt es die Bezeichnung Rohingya erst seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie wurde von Vertretern der muslimischen Minderheiten des Landes, die sich aus vielen verschiedenen Gruppen zusammensetzen und teils seit vielen Generationen vor allem im Rakhine-Staat an der Westküste Burmas leben, zu einer neuen und einheitlichen Selbstbezeichnung gemacht. In den 1950er-Jahren waren die Rohingya sogar einmal als ethnische Gruppe des Landes anerkannt. 1982 hat Myanmar ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz eingeführt, den Muslimen die Staatsbürgerschaft entzogen und so hohe Hürden für einen Wiedererwerb errichtet, dass es in der Praxis für Muslime so gut wie unmöglich ist, erneut zu Bürgerinnen und Bürgern des Landes zu werden.
Permanentes Völkertribunal tagt zur Lage der Rohingya in Myanmar
Der Appell des Dalai Lama wird am 6./7. März auf der ersten Anhörung zur Lage der Rohingya in Myanmar auf dem „Permanenten Völkertribunal“ an der London’s Queen Mary University verlesen werden.
Das permanente Völkertribunal wurde 1979 in Anlehnung an die Russell-Tribunale gegründet, die Menschenrechtsverletzungen im Vietnamkrieg untersuchten. Das Permanente Völkertribunal tagt an unterschiedlichen Orten und unabhängig von staatlichen Instanzen. Es untersucht international die Verletzung von Menschen- und Völkerrechten und hat bereits die Lage in mehreren Dutzend Ländern in ausführlichen Anhörungen und Recherchen untersucht.
Zur Lage in Myanmar plant das Tribunal in der kommenden Zeit Anhörungen in London, New York und Kuala Lumpur. Darum gebeten haben nicht nur Angehörige der Rohingya- sondern auch der Kachin-Minderheit, die in dem Land gleichfalls ethnische Verfolgungen erfahren. Bei den Anhörungen werden Personen des öffentlichen Lebens die Zeugnisse von Opfern des mutmaßlichen Genozids anhören; etwa Ende 2017 wird das Tribunal dann eine öffentliche Stellungnahme zu Myanmar aussprechen.