Markus Gabriel

Ich ist nicht Gehirn

Philosophie des Geistes für das 21. Jahrhundert

Heft: 02 | 2016 Hoffnung und Furcht
Verlag:Ullstein Verlag
Ort:Berlin
Jahr:2015
ISBN:978-3-550-08069-2
Preis:18,00 €
Seiten:350
Hardcover mit Schutzumschlag

Rezension

Wie sein Vorgänger, „Warum es die Welt nicht gibt“, ein brillantes, ja spannendes philosophisches Werk, das jeder auch ohne Vorkenntnisse lesen kann, weil die Begriffe immer anschaulich erklärt werden. Der mit 28 Jahren zum Professor ernannte Philosoph Markus Gabriel zeigt mittels genialer und doch stets nachvollziehbarer Gedankengänge seines Neuen Realismus, warum auch in der heutigen technologischen, naturwissenschaftlichen Welt der Geist weiterhin im Mittelpunkt stehen sollte, aber erst wieder dahin gerückt werden muss. In dem Buch geht der Autor von dem Ansatz aus, dass sich in den letzten Jahren, ausgehend von den Naturwissenschaften, ein Neurozentrismus herausgebildet hat, der auf der Annahme basiert, dass Ich gleich Gehirn sei. Nach Gabriel können wir uns aber auf diese Weise nicht selbst erkennen. Mit scharfer Kritik an diesem Neurozentrismus verteidigt er in neuer Weise den freien Willen. Dabei analysiert er die klassischen Philosophen, die einschlägigen zeitgenössischen Wissenschaften und ihre Protagonisten und zeigt sich als großer Kenner der Science-Fiction-Szene. Das Ich dieser Philosophie ist kein beständiges Selbst, welches er wie der Buddha ablehnt. Es ist zwar genetisch begründet, aber wesentlich durch Kultur und Erfahrung geprägt und weiter entwickelbar und deshalb in relativ großem Umfang frei. Hier wäre es spannend gewesen, sich auch mit der klassischen Karmalehre, besonders des frühen Buddhismus, auseinandergesetzt zu haben. Indirekt kann man aber an deren Rigorosität eine Kritik ausmachen; genauso, ebenfalls indirekt, an der Lehre vom Bedingten Entstehen. Gabriel zeigt, dass jede Form globaler kausaler Gesetzlichkeiten scheitern muss. Den philosophischen Buddhismus würde an dieser Stelle wohl Nagarjunas Mittlerer Weg ein Stück weit retten, den Gabriel kurz anreißt. Als Buddhist haben mich Gabriels Denkwege und Thesen insofern sehr angesprochen, weil sie ganz im Sinne des Buddha zu eigenem Denken anregen, gerade auch dort, wo man meint, schon festen Boden unter den Füßen zu haben.

Holger Korin Stienen

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