Ralf Zwiebel, Gerald Weischede

Die Suche nach dem stillen Ort

Filmpsychoanalytische Betrachtungen zum Buddhismus

Heft: 03 | 2018 Lebendig
Verlag:Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Ort:Göttingen
Jahr:2017
ISBN:978-3-525-40282-5
Preis:30,00 €
Seiten:218
Paperback

Rezension

Auch in ihrem dritten gemeinsamen Buch zum Dialog zwischen Buddhismus und Psychoanalyse bleiben der Zen-Lehrer Gerald Weischede und der Psychoanalytiker Ralf Zwiebel ihrem bewährten Thema auf der Spur. Sie untersuchen dieses Mal drei buddhistische Filme: Warum Bodhidharma in den Osten aufbrach, Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling und Samsara und interessieren sich dabei vor allem für die Wechselwirkung beider Heil- und Befreiungswege. Mit einem filmpsychoanalytischen Blick, ihrem neuen Arbeitsmodell, eröffnen sie eine anschauliche und tiefere Ebene der Erforschung des Themas, sodass der Leser zu einem erlebensnahen Erkenntnis- und Selbstreflexionsprozess eingeladen wird. Dazu werden zunächst die Filme, die sich explizit mit dem buddhistischen Weg und ihn begleitenden Grundthemen befassen, ausführlich dargestellt und sachkompetent buddhistisch und filmpsychoanalytisch kommentiert und interpretiert. Der Stille Ort, als Metapher für den schweigenden Geist, das Nicht-Selbst und das „Ziel“ des buddhistisch-meditativen Weges zieht sich durch alle drei Filme. Als Gegenpol dazu finden die Autoren den Sicheren Ort als Metapher für den analytisch-seelischen Weg, der ausgerichtet ist auf ein selbstbewusstes, relativ autonomes, bezogenes, kohärentes Ich-Selbst. An gut nachvollziehbaren Beispielen können wir verstehen, dass und wie sich die in einem bipolaren Spannungsverhältnis stehenden beiden „Orte“ wechselseitig hervorbringen, innig durchdringen und bereichern und wie eine Vernachlässigung des einen Pols die Entfaltung des anderen behindern oder sogar ausschließen kann. Dabei geht es beispielhaft um die Motivation für den spirituellen Weg, um Hintergründe für Hindernisse im Rahmen der spirituellen Praxis und um unbearbeitete seelische Gegebenheiten, die sich auf die Lehrer-Schüler-Beziehung leidvoll auswirken können. Besonders berührt haben mich die Überlegungen der Autoren zu diesen Wechselwirkungen in ihrer eigenen Lebensgeschichte. Mit der Entdeckung der Bipolarität von „Binden und Lösen“ als Kernbewegung beider Pole und Brücke zwischen Stillem Ort und Sicherem Ort wird die inhaltliche Auseinandersetzung auf eine neue, integrativ-konzeptuelle Ebene gehoben. Ich empfinde dieses Buch als das bisherige Meisterwerk der Autoren, einen höchst wertvollen und wunderbar anschaulichen Beitrag zur weiteren Klärung des Verhältnisses zwischen Buddhismus und Psychoanalyse/Psychologie. Es kann dazu motivieren, die Arbeit am Sicheren Ort in die eigene Suche nach dem Stillen Ort zu integrieren, und uns die eigene spirituelle Praxis in einem neuen Licht sehen lassen.

Gitta Krautwig

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