Werner Vogd

Der ermächtigte Meister

Eine systemische Rekonstruktion am Beispiel des Skandals um Sogyal Rinpoche

Heft: 03 | 2019 jung & alt
Verlag:Carl-Auer Verlag
Ort:Heidelberg
Jahr:2019
ISBN:978-3-8497-0282-3
Preis:19,95 €
Seiten:137
Paperback

Rezension

In sieben Kapiteln untersucht Werner Vogd, Professor für Soziologie an der Fakultät für Kulturreflexion der Universität Witten/Herdecke, die Beziehungsdynamiken im Rigpa-Netzwerk und den Umgang mit der im Juli 2017 offen aufbrechenden Krise. Ein Vorwort und Nachwort rahmen das relativ kurze, aber dichte Werk ein. 15 Grafiken und hilfreiche Abbildungsbeschreibungen fassen komplexe Zusammenhänge, Vogds Ausführungen und verschiedene Beziehungsmodelle und -dynamiken aus systemischer Sicht zusammen. Der Soziologe betont, dass es ihm nicht um moralische Urteile oder Wertungen gehe, sondern darum, Licht auf die Rollenbilder, ihre wechselseitige Konditionierung, die komplexen Beziehungsdynamiken und das Verhältnis von Täuschung und Enttäuschung zu werfen. Die Monografie entstand im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts „Buddhismus im Westen“. Interviews wurden hierzu unter anderen mit Rigpa-Neueinsteigern, -Fortgeschrittenen, -Lehrern und -Aussteigern in den Jahren 2013 bis 2018 geführt. Gerade diese Interviews, einige vor dem offenen Ausbruch der Krise, andere währenddessen oder danach geführt, erhellen lebendig und exemplarisch die systemisch untersuchten Dynamiken. So lassen sie zum Beispiel den inneren Spannungszustand zwischen Zweifel und Glaubenwollen, zwischen dem erfolgreichen Beiseiteschieben von Zweifeln und ihrer Wiederkehr – selbst nach 15 Jahren der Zugehörigkeit und vielen Retreats – gut nachvollziehen. Besonders hilfreich und für alle anwendbar finde ich Vogds Analysen zum „richtigen und falschen Schweigen“. Er zeigt hier auf, wie „die Welt der Tatsachen“, „deren Wahrheitsgehalt intersubjektiv überprüft werden kann“, durch falsches Schweigen und falsche Rede von einer zweiten Sphäre überlagert oder verdrängt wird, die für andere nicht zugänglich ist. Vogd: „Die falsche Rede – die schnell zum geschäftigen Geschwätz des Anhängers mutiert – über die geistigen Fähigkeiten oder die heiligen Motive des Lehrers (niemand kann in ein fremdes Bewusstsein hineinschauen) fördert magische Projektionen. Beides bestärkt wiederum das Tabu, kritische Fragen zu stellen, und die Haltung, bei den immer offensichtlicher werdenden Tatsachen lieber wegzuschauen.“ Das Buch ist aus meiner Sicht sowohl aufschlussreich wie anspruchsvoll. Es ist hilfreich für jene, die sich für die Komplexität zwischenmenschlicher und gruppenbezogener Dynamiken sowie die Projektionen in der Lehrer-Schüler-Beziehung interessieren. Wer einen ausgewogenen und dabei informiert-kritischen Blick auf die Dynamiken bei Rigpa sucht, ist mit ihm gut beraten. Auch zur kritischen Selbstreflexion oder für das Durchschauen manipulativer Kommunikation im Umgang mit Missbrauch ist das Buch hervorragend geeignet. (Siehe auch Interview mit Werner Vogd in dieser Ausgabe.)

Bhikshu Tenzin Peljor

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