Zenshin Florence Caplow, Reigetsu Susan Moon

Das verborgene Licht

100 Geschichten erwachter Frauen aus 2500 Jahren, betrachtet von (Zen-)Frauen heute

Heft: 03 | 2016 Vom Leben und Sterben
Verlag:edition steinrich
Ort:Berlin
Jahr:2016
ISBN:978-3-942085-48-9
Preis:28,00 €
Seiten:512
Hardcover, zahlreiche Abbildungen

Rezension

Hundert bemerkenswerte, kurz-prägnante Zen-Geschichten, entnommen vor allem drei berühmten Koan-Sammlungen – Die Niederschrift vom blauen Fels (12. Jh.), Das Buch des Gleichmuts (12. Jh.) und Die torlose Schranke (13. Jh.) –, bereichert von Geschichten aus dem alten Asien und dem modernen Westen, werden von 116 zeitgenössischen Frauen (meist aus der Zen-Tradition), die seit Jahrzehnten fest verwurzelt in ihrer Dharma-Praxis stehen, auf sehr persönliche Weise kommentiert. Die Herausgeberinnen wählten Geschichten aus, in denen Frauen die Protagonisten sind, was gar nicht so häufig ist, und forderten Dharma-Lehrerinnen auf, zu beschreiben, was diese Geschichte mit ihrem eigenen Leben und ihrer spirituellen Praxis zu tun hat. Herausgekommen sind zum Teil sehr persönliche Bekenntnisse, die dadurch, dass sie oft ungemein ehrlich und ungeschminkt rüberkommen, bei der Lektüre sehr berühren. Die hier verhandelten Probleme und Herausforderungen sind uns allen vertraut. Wir wissen, wie sich Zweifel und Feigheit anfühlen, warum mangelndes Selbstvertrauen uns oft lähmt und dass wir uns mit Alter, Krankheit und Tod auseinanderzusetzen haben. Doch als Dharma-Praktizierende suchen wir nicht nach Pflastern und Schminke, sondern nach der Wahrheit. Wie es sich anfühlt, auf dem Weg der Wahrheit zu sein, offen und bereit, ohne Schonung die dunklen Stellen zu beleuchten, diese Geisteshaltung prägt alle Geschichten und Betrachtungen. Der Funke des Aufrichtigseins wartet nur darauf, auf den Leser/die Leserin überzuspringen und das Feuer der Wahrheit neu zu entfachen oder zu verstärken. Es heißt oft, dass Zen Poesie sei, und in diesem Buch wird das wieder einmal bestätigt: Die Essenz des Dharma-Weges beruht auf der spontanen Unmittelbarkeit des Augenblicks, und diese Energie überträgt sich hier beim Lesen spielend leicht.

Das Buch spornt an zu mehr Mut und Eigensinn, dazu, zu experimentieren und sich (über die Geschichten und Betrachtungen) auszutauschen, es schlägt eine Dharma-Brücke von der Zeit des Buddha bis in unsere Tage. Die Grundbotschaft des „verborgenen Lichts“ lautet: Egal, wer du (als Frau oder als Mann) bist und wo du stehst, verliere dein Ziel nicht aus den Augen. Das einzige Hindernis, das dem Ziel im Weg steht, bist du selbst mit deiner Selbstzufriedenheit, Trägheit oder Zögerlichkeit.

Andrea Liebers

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