Samanera Bodhesako

Aussteigen

Porträt eines buddhistischen Mönchs aus Amerika

Heft: 03 | 2022 Heimat
Verlag:Path Press Publications
Ort:Vollezelle, Belgien
Jahr:2022
ISBN:978-9-460900-40-2
Preis:25,00 €
Seiten:319
Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Neufing
Paperback

Rezension

Robert Smith (1939–1988) aus Detroit, Literaturwissenschaftler, wollte ursprünglich Romanschriftsteller werden. Stattdessen wurde er gleich zweimal Mönch auf Sri Lanka: 1966 bis 1971 als Nanasuci Bhikkhu, 1980 bis zu seinem Tod im Jahr 1988 als Samanera Bodhesako. Er verstand sich als Schuler des Engländers Nanavira Thera, dessen Werke er 1987 unter dem Titel „Clearing the Path“ herausgab, und schrieb auch eigene Essays zum Dhamma. In „Aussteigen“ berichtet er von seinem ersten Aufenthalt im Orden. Als autobiografische Erzählung ist „Aussteigen“ eine unterhaltsame Lektüre. Zugleich führt uns das Buch zum Kern des Dhamma, auch mittels immer wieder in den Erzähltext eingestreuter Passagen aus Suttas. Der Erzähler erscheint zu Anfang als ein typischer Vertreter der Hippie-Bewegung der 1960er-Jahre. In einer spontanen Anwandlung tritt er in Kalkutta dem Orden bei. Der Novize kämpft um Minderung und Auflösung wenigstens seiner allergröbsten Verhaftungen an die Welt und berichtet eindrücklich von jenen schweren Phasen der inneren Ödnis, die er in Ermangelung sinnlicher Ablenkungen, besonders auf seinen langen einsamen Wanderungen, erlebt. Er beginnt, sein Mönchstum ernst zu nehmen, macht Missstande im Orden aus, die ihn desillusionieren. Er erkennt, dass der Pali-Dhamma und dessen Theravada-Auslegung nicht unbedingt deckungsgleich sind. Unter Nanaviras Anleitung will er sich die existenziellen Aussagen des Erwachten direkt aus den Lehrreden erschließen. Vom Existenzialismus geprägt, formuliert er das Dilemma der menschlichen Situation folgendermaßen: „Eine vollständige Sichtweise ist für einen existierenden Menschen eine Unmöglichkeit; die Welt wird durch die Entscheidungen, die ich treffe, verzerrt, sodass manche Teile starker hervortreten und andere aus dem Gewahrsein verschwinden.“

Eine Frage quält Bodhesako dabei jahrelang: „Wenn der Dhamma vom Lassen handelt – wie kann ich dann Lassen lassen?“ Den Schlüssel zu einer Antwort findet er bei einer Dichterin, der US-Amerikanerin Marianne Moore: „Die Fähigkeit, auf das, was man lieber behielte, zu verzichten: das ist Freiheit.“

„Aussteigen“ ist eine äußerst kurzweilige und gut verständliche Hinführung zu den als anspruchsvoll geltenden Essays Bodhesakos – daher meine uneingeschränkte Empfehlung.

Mathias Weber

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