Chandra Chiara Ehm

Queens Without a Kingdom Worth Ruling

Buddhist Nuns and the Process of Change in Tibetan Monastic Communities

Heft: 01 | 2025 feiern
Verlag:Vajra Books, Englische Ausgabe
Ort:Kathmandu
Jahr:2024
ISBN:9789937733380
Preis:62,42 Euro
Seiten:269
Fotografien von Carol Sachs und Chandra Chiara Ehm
Gebunden
 
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Rezension

Eine persönliche Erfahrung der Rezensentin zu Beginn: Vor mehr als zwanzig Jahren erzählte ich Tibeterinnen und Tibetern in Kathmandu stolz von unseren Projekten für Nonnen in Osttibet, die sie dabei unterstützten, ein systematisches Studium zu absolvieren und selbst zu lehren. Meine Zuhörerinnen und Zuhörer lachten und meinten: Nonnen seien doch eher dumm und disziplinlos, ob solche Projekte denn realistisch seien. Die grundlegende Einstellung eines Großteils der tibetischen Gesellschaft, wonach Frauen nicht ernst zu nehmen seien, die sich nur langsam wandelt, wird in dem großartigen, vielschichtigen und äußerst informativen Buch von Chandra Chiara Ehm an vielen Stellen bestätigt.
Die Autorin ist Wissenschaftlerin für Tibet und Religionswissenschaften, lebte und studierte von 2009 bis 2019 im dem der GelugTradition zugehörigen Nonnenkloster Khachö Ghakyil
Ling am Rande von Kathmandu. Sie hat somit sowohl eine Innen als auch eine Außenperspektive.
Im Prolog des Buches, das es bis jetzt nur auf Englisch gibt, beschreibt sie ihren Weg zu einem Leben als Nonne. 2007 habe sie das erste Mal bei einem Besuch des Klosters die Sehnsucht gespürt, im „geschützten“ klösterlichen Rahmen zu studieren. Sie war damals noch nicht einmal zwanzig Jahre alt, hatte gerade ein Studium der Tibetologie begonnen und spürte eine starke Faszination von den Nonnen ausgehen. Nachvollziehbar machen diesen Eindruck die atmosphärisch schönen Fotos von Carol Sachs, die im Buch zu betrachten sind und Szenen aus dem Alltag der Nonnen einfangen. Chandra Chiara Ehm sah diese Frauen als stolze Königinnen und konnte sie sich als Herrscherinnen ihres eigenen Königreichs vorstellen. Die Realität jedoch war ernüchternd, insbesondere für eine westlich geprägte junge Frau, die sich in einem isolierten, abgeschotteten und hierarchisch geprägten Mikrokosmos wiederfand.
Tibetischen Nonnen eine Stimme geben
Im Laufe ihres Buches reflektiert die Autorin das Thema dann aus verschiedenen Perspektiven. Eine davon ist ihre eigene als Autorin, Anthropologin und „Beteiligte“. In diesen Abschnitten beschreibt sie im Detail den Alltag, die Rituale und Studieninhalte der Nonnen, führt viele Interviews mit ihnen und zeichnet Gespräche auf. Ganz bewusst gibt sie ihren ehemaligen Mitstreiterinnen „eine eigene Stimme“ weil sie höchsten Respekt vor ihnen hat, aber auch aus Erfahrung weiß, dass tibetische Nonnen oft missverstanden werden. Exemplarisch für die schwierige Grundsituation der Nonnen ist Chandra Chiara Ehms Beschreibung, wie der GeshemaTitel entstanden ist. Den GesheTitel, einen akademischen Grad für Mönche der GelugTradition, gibt es seit Jahrhunderten. Doch erst 2003 äußerte der Dalai Lama eindeutig in der Öffentlichkeit, dass auch ein GeshemaAbschluss für Frauen nötig sei. Es dauerte aber noch bis 2012, bis die Examina und der Titel offiziell etabliert wurden. Erst 2016 erlangten die ersten Geshemas ihren Abschluss. Die meisten Lehrer und Äbte drückten bei jeder Gelegenheit ihren Wunsch aus, die Vision des Dalai Lama umzusetzen. Doch ihre Ambitionen bezogen sich lediglich auf die Einführung des Titels, nicht darauf, dass die Nonnen ein gutes Curriculum oder gar gute Studienbedingungen erhielten. Darum mussten sich diese selbst kümmern.
Hindernislauf zu Bildung und Anerkennung
Chandra Chiara Ehm hat diesen Hindernislauf der studierenden Nonnen mit eigenen Augen im Kloster Khachö Ghakyil Ling erlebt. Die traditionelle Ausrichtung auf Arbeit, Ritual und Gebet wurde nun ergänzt durch das Studium und Auswendig lernen philosophischer Texte sowie das Einüben der logischen Debatte. Das heißt: Die Nonnen mussten erst einmal ihre „Pflichten erledigen“, also die von Auftraggebern erwarteten pujas rituellen Verehrungen und Gebete durchführen, bevor sie überhaupt an das eigene Studium denken konnten. Auch durften sie im Gegensatz zu den Mönchen keine eigenen Philosophielehrer wählen, was traditionell als sehr wichtig angesehen wird. Sie waren und sind es bis heute angewiesen auf Lharampa Geshes, die für ein Jahr an das Nonnenkloster „ausgeliehen“ wurden. Auch das „Herzstück“ des Studiums die philosophische Debatte stellt die Nonnen vor eine besondere Herausforderung. Mönche lieben die Debatte als Möglichkeit, mentale und körperliche männliche Stärke, Wettbewerb und Dominanz zu üben und zu demonstrieren. Nonnen sind jedoch komplett anders sozialisiert und es fällt ihnen schwer sich in der Öffentlichkeit zu produzieren.
Ein weiteres Manko der Ausbildung betrifft alle GelugpaKlöster: Es wird kaum meditiert noch werden Techniken gelehrt und gelernt, mit den eigenen Emotionen umzugehen. Auch eine ergänzende säkulare Ausbildung ist nur in wenigen Fällen möglich ist.
Wider die Romantisierung
Chandra Chiara Ehm beschreibt eindrücklich, wie ihr Im Laufe der Jahre immer bewusster geworden ist, dass die Realität der Mönche und Nonnen in der tibetische Gemeinschaft sowohl im Exil als auch in der Heimat anders aussieht als in den klassischen Schriften. Das Modell der „vierfachen Sangha“ teilt die gesamtbuddhistische Gemeinde in Mönche, Nonnen, Laienmänner und Laienfrauen, idealerweise gleichrangig. Die Rangordnung in der Realität sieht die Mönche an erster Stelle, dann Männer mit Status, an dritter Stelle Frauen mit Einfluss in Familie und Gesellschaft, und ganz am Ende kommen die Nonnen traditionell oft als billige Arbeitskräfte angesehen. Buddhistinnen und Buddhisten im Westen haben lange Zeit eigentlich nur wahrgenommen, dass die Nonnen im alten Tibet unter den Mönchen gestanden und die Nonnen im Exil starke Unterstützung erfahren haben. Das kritisiert die Autorin als Romantisierung, schon allein, weil die Verwaltung vieler Nonnenklöster noch ganz in den Händen von Mönchen liegt. Es wäre sehr hilfreich, wenn nicht nur wir Westlerinnen und Westler, sondern auch möglichst viele Tibeterinnen und Tibeter dieses erhellende Buch lesen!

Elke Hessel

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