Peter A. Levine

Lernen, den Tiger zu reiten

Die Autobiographie des wegweisenden Trauma-Experten

Heft: 03 | 2025 Computerwelten
Verlag:Kösel
Jahr:2024
Preis:24 Euro
Seiten:256

Rezension

Mit „Lernen, den Tiger zu reiten“ legt Peter Levine eine schonungslos aufrichtige, aber auch voller Mitgefühl geschriebene Autobiografie vor. Der Biophysiker und Psychologe hat in den 1970er-Jahren die Traumatherapie Somatic Experience entwickelt. In diesem Buch beschreibt er, warum seine heute weltweit verbreitete Therapiemethode nicht nur auf unermüdlichem Forschen basiert, sondern auch auf buddhistischen und schamanischen Weisheiten. Wer Peter Levine einmal live als Referenten erlebt hat, weiß, dass man sein tiefes Mitgefühl mit traumatisierten Menschen körperlich spüren kann. Das teilt sich auch im Buch mit, wenn der Autor beschreibt, wie Trauma und „verkörperte Spiritualität“ zusammenwirken können, und dabei ein profundes interdisziplinäres Wissen aus Biologie, Medizin, Mathematik und Neurowissenschaften zusammenfließen lässt. Komplex, aber durchgehend gut verständlich erklärt Peter Levine, wie kleinste seelische Traumata, die manchmal gar nicht als solche wahrgenommen werden, auf den Körper wirken können: Atmung, Stoffwechsel, Immunsystem, Zellen und Muskeln stehen unter diesem Einfluss. Somatic Experience kann Traumata heilen und im günstigsten Fall sogar posttraumatisches Wachstum ermöglichen. Dazu können Menschen „die gewaltige innere Kraft und Weisheit von Körper und Geist“ nutzen, darauf weist der Autor in den unterschiedlichsten Zusammenhängen immer wieder hin – und hat auch über die Erforschung solcher Zusammenhänge viel zu erzählen. 

Besonders eindrucksvoll wird das Buch, wenn Peter Levine eigene Wunden und Traumata mit teils erschütternder Offenheit beschreibt. Morddrohungen haben seine Kindheit überschattet, als sein Vater Zeuge in einem Prozess gegen die Mafia werden sollte. Dazu kamen selbst erlebter sexueller Missbrauch und Gewalt. Gleichzeitig beschreibt er immer auch, wie ihn die Spiritualität unterstützte und zu welchen Erkenntnissen ihm Heilerinnen und Heiler verhalfen. Auch das Dharma kann intellektuelle Klarheit unterstützen, erklärt er, indem es keinen Zweifel daran lässt, dass Leiden zu den Grundgegebenheiten jedes Lebens gehört. Aber es ist kein Gefängnis: „Trauma ist eine Tatsache des Lebens. Es muss kein lebenslanges Verhängnis sein.“ 

Peter Levine hat auch mit 83 Jahren nicht aufgehört zu forschen, und die Arbeit mit Klientinnen und Klienten beflügelt ihn bis heute. Sogar Visionen und Träume werden für ihn zu Initialzündungen für wissenschaftliche Untersuchungen. Wenn er über die Quellen seiner Lebensinspirationen schreibt, erleben wir ihn in jeder Zeile als neugierigen und hellwachen Menschen. 

 

Ursula Reinsch

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