Missbrauch im buddhistischen Kontext verstehen

Ein Beitrag von Dr. Alexander Berzin veröffentlicht in der Ausgabe 2018/1 Liebe unter der Rubrik Liebe.

Ursache und Wirkung, Leerheit und Ethik sind anspruchsvolle buddhistische Lehren, über die es jedoch zahlreiche Missverständnisse gibt. Diese Missverständnisse führen nicht selten dazu, dass Schülerinnen und Schüler meinen, missbräuchliche Situationen mit ihren Lehrern ertragen zu müssen. Alexander Berzin zeigt in seinem Beitrag: Kernlehren des Buddhismus helfen, korrekt verstanden, mit missbräuchlichen Situationen im buddhistischen Kontext umzugehen und Fehlverhalten zu verhindern.

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Manche Menschen glauben fälschlicherweise, der Buddhismus lehre den Nihilismus und stelle sich vor, Leerheit bedeute, dass nichts existiert und dass es deshalb keine Ursache und Wirkung gibt. Sie verwenden dies als Rechtfertigung, jeder Mensch, einschließlich des spirituellen Lehrers, könne ohne Konsequenzen alles tun. Andere haben eine falsche Ansicht von Ursache und Wirkung und meinen, missbräuchliches Verhalten, insbesondere im Namen des Tantra, könne zu spirituellem Fortschritt führen. Diese Naivität öffnet die Tür zu einer spirituellen Katastrophe.

Es ist wichtig zu verstehen, wie diese Missverständnisse über grundlegende buddhistische Konzepte Schülerinnen und Schüler manchmal dazu bringen, missbräuchliche Situationen zu ertragen, obwohl die Lehren des Buddha niemals irgendwelche ungesunden Handlungen seitens spiritueller Lehrerinnen und Lehrer gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern zulassen. In diesem Artikel werden wir uns Ursache und Wirkung, Leerheit und Ethik anschauen und Wege erkunden, wie man mit missbräuchlichen Situationen umgehen kann.

Leerheit und Ursache und Wirkung

Leerheit bedeutet Abwesenheit; sie bezieht sich auf die Tatsache, dass die Projektionen unseres Geistes nicht der Realität entsprechen. Was fehlt, ist eine Realität, die unseren Projektionen entspricht. Wenn Sie zum Beispiel eine Website auf Ihrem Computer oder Mobiltelefon anzeigen, scheint sie sich selbst aufgebaut zu haben: Da ist sie – von ganz allein erschienen! Aber das ist nicht die Realität. Wir sehen nicht die Tausenden von Arbeitsstunden, die für die Erstellung dieser Website erforderlich waren. Es scheint nur so, als hätte sich die Seite selbst aufgebaut. Aber obwohl sie nicht in der Weise existiert, wie sie erscheint, funktioniert sie trotzdem und taucht auf. Wir können sie tatsächlich anschauen und, aufgrund von Ursache und Wirkung, etwas davon lernen. Auf diese Weise bestätigt Leerheit das Funktionieren von Ursache und Wirkung. Weil nichts aus sich selbst heraus existiert – was bedeutet, dass nichts allein, durch seine eigene Kraft, unabhängig existiert – kann alles funktionieren und Wirkungen erzeugen.

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Durch die Leerheit haben auch das Verhalten des spirituellen Lehrers und unser eigenes Verhalten Auswirkungen. Zu sagen: „Alles ist leer, der Lehrer ist leer, ich bin leer, was er oder sie tut, ist nichtig“ wird und kann das Prinzip von Ursache und Wirkung in Bezug auf unsere Verhaltensweisen weder entschuldigen noch außer Kraft setzen.

Ethik im Buddhismus

Ursache und Wirkung sind die Grundlage der buddhistischen Ethik. Es ist wichtig zu verstehen, dass die buddhistische Ethik nicht auf Gehorsam gegenüber Gesetzen und nicht auf moralischen Urteilen über gut oder schlecht beruht. Es ist nicht wie in den abrahamitischen Religionen oder unseren Zivilgesellschaften, in denen Menschen als gut gelten, wenn sie den Geboten oder den bürgerlichen Gesetzen gehorchen, und als schlecht beurteilen werden, wenn sie diese Gesetze brechen.

Stattdessen basiert die buddhistische Ethik auf unterscheidendem Bewusstsein, gewöhnlich als „Weisheit“ übersetzt. Wir müssen unterscheiden zwischen dem, was hilfreich ist, und dem, was schädlich ist, dem, was konstruktiv ist, und dem, was destruktiv ist. Der Buddhismus definiert destruktives Verhalten als gewohnheitsmäßige, zwanghafte Handlungs-, Sprech- und Denkweisen, die durch störende Emotionen wie Gier, Wut und Ignoranz oder Naivität motiviert sind. Mit ihnen einher geht ein Mangel an Selbstwertgefühl oder an Sorgfalt dafür, wie sich unser Verhalten auf uns selbst auswirkt oder auf andere, die wir respektieren.

Mit diesem Verständnis der buddhistischen Ethik müssen wir prüfen und erwägen, was in unserer Beziehung zu unserem spirituellen Lehrer geschieht. Wenn unser Lehrer mit Lust, Gier oder Wut handelt und wir mit Naivität reagieren, sind die Handlungen von uns beiden destruktiv und werden Leiden verursachen. Sie wirken sich negativ aus, sowohl auf unseren Lehrer und uns als auch auf unsere spirituelle Gemeinschaft und den Buddhismus als Ganzes. Wir können dieses Fehlverhalten nicht mit dem Vorwand entschuldigen, es sei leer von unabhängiger Existenz.

Realistisch sein in Bezug auf uns und unsere Lehrer

Weitere Probleme entstehen durch Missverständnisse über Tantra, tantrische Meister, die reine Sicht und „samaya“, die enge Bindung an den tantrischen Meister, weil viele Menschen tantrische Initiationen vorzeitig erhalten. Weil es an der stabilen Grundlage eines längeren Studiums und einer längeren Praxis der Sutra-Lehren fehlt, verstehen sie wenig vom tantrischen Pfad und haben den tantrischen Meister nicht ausreichend geprüft.

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Es gibt bei Schülern und Lehrern viele verschiedene Ebenen, und es gibt lange Qualifikationslisten für beide. Wir befinden uns sicherlich nicht auf dem Niveau – und in den meisten Fällen auch keiner unser Lehrer – von Naropa und Tilopa oder Milarepa und Marpa. Diese Beispiele aus der buddhistischen Geschichte sind jetzt für uns irrelevant. Verhaltensmodelle der sogenannten „verrückten Weisheit“ gelten nicht für diejenigen, denen die entsprechenden Qualifikationen fehlen. Wenn ein Lehrer einen lebende Fische essen kann wie Tilopa, legt er die Knochen auf den Boden, schnippt mit den Fingern und bringt die Fische wieder zum Leben – okay! Aber kann unser missbräuchlicher tantrischer Meister das tatsächlich tun? Oder, wie vorgeschlagen auf dem Treffen westlicher Lehrender im Jahr 1993 mit Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama: Wenn der Lehrer einen Cocktail aus Durchfall, Urin, Eiter und Blut trinken kann, als ob es Nektar wäre – okay, testen Sie ihn! Wir müssen in dieser Hinsicht realistisch sein, was unser eigenes Niveau und das unseres Lehrers angeht.

Wie bei den meisten Dingen wollen wir die Dinge billig bekommen. Wir suchen nach einem Schnäppchen: Zugang zu Tantra ohne Vorbereitungen und ohne Gelübde. Und selbst wenn wir die Vorbereitungen für ngondro durchführen, neigen wir dazu zu denken, dass sie nur Niederwerfungen und so weiter beinhalten. Aber jeder Text besagt klar, dass wir zuerst die gemeinsamen Vorbereitungen vervollständigen müssen, wie intensives Lernen und Praktizieren der „vier Gedanken, die den Geist zum Dharma machen“. Ohne ein tiefes Verständnis der vier edlen Wahrheiten und der Buddhanatur und ohne Verzicht, ethische Selbstdisziplin, Konzentration, unterscheidendes Bewusstsein für Leerheit, Mitgefühl, Bodhichitta und so weiter, wird uns die vorzeitige Tantra-Praxis sehr viel Schaden zufügen. Dies gilt insbesondere für die Beziehungen zum tantrischen Meister, zur reinen Sicht und zum samaya.

Reine Sicht in der Praxis des Tantra

Mit reiner Sicht betrachten wir unseren tantrischen Meister, uns selbst und jeden Menschen als Buddhas in Form von yidams oder „tantrischen Gottheiten“. Das macht nur dann Sinn, wenn wir dies auf der Grundlage von Buddhanatur, Bodhichitta und einem Verständnis von Leerheit und abhängigem Entstehen tun. Mit Bodhichitta bleiben wir auf unsere eigene Erleuchtung konzentriert, die noch nicht geschehen ist, aber aufgrund der Faktoren der Buddhanatur geschehen kann. Wir tun dies mit dem Ziel, die Erleuchtung zu erreichen und allen anderen bestmöglich zu dienen. Wenn wir uns auf die Erleuchtung konzentrieren, die auf den Faktoren der Buddhanatur unseres tantrischen Meisters basiert, hilft es uns immer, uns auf unsere eigene zukünftige Erleuchtung zu konzentrieren und damit unser Bodhichitta zu verbessern.

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Reine Sicht ist keine Entschuldigung, um missbräuchliches Verhalten zu leugnen und zu tolerieren, selbst wenn es von unserem trantrischen Meister kommt. Darüber hinaus bedeutet die enge samaya-Verbindung mit dem tantrischen Meister nicht, blind Befehle zu befolgen, als wäre man in der Armee, und die Verantwortung aufzugeben, ein unterscheidendes Bewusstsein beizubehalten. Die Hauptvoraussetzung der Beziehung zum tantrischen Meister ist, dass alles, was er oder sie sagt oder tut, als eine Methode gedacht ist, um uns zur Erleuchtung zu verhelfen. Ihr Zweck ist es, uns vom Leid zu befreien, nicht mehr Schmerzen zu verursachen. Um solch eine Beziehung eingehen zu können, müssen wir über einen langen Zeitraum ausführlich geprüft haben, ob der Lehrer das Mitgefühl und die Weisheit hat, auf diese wohlwollende Weise zu handeln. Wir müssen uns auch selbst prüfen lassen, ob wir bereit sind, niemals auf unseren Lehrer wütend zu werden, sondern zu versuchen, von dem zu lernen, was er oder sie sagt oder tut.

In tibetisch-buddhistischen Kreisen wird oft der Begriff „Guru-Hingabe“ verwendet und es scheint sehr viel Missverständnisse zu geben über die Beziehung zu einem spirituellen Lehrer aufgrund dieses speziellen Wortes „Hingabe“. Die Konnotation des tibetischen Begriffs ist, jemandem zu vertrauen und sich auf ihn zu verlassen. Es ist die Art von Beziehung, die Sie mit Ihrem Arzt hätten. Sie verlassen sich auf die Lehrer, weil Sie sie gut untersucht haben, und Sie wissen, dass sie qualifiziert sind. Sie vertrauen sich Ihrer Sorgfalt an, genauso wie Sie sich der Sorgfalt Ihres Arztes anvertrauen.

Was tun bei Missbrauch?

Es gibt Mitglieder spiritueller Gemeinschaften, die leugnen, irgendetwas sei falsch, selbst angesichts überwältigender Beweise für Missbrauch. Oft kommen sie zum Buddhismus als Flucht vor den Problemen der Welt und hoffen auf eine ideale Welt mit perfekten Lehrerinnen und Lehrern. Sie identifizieren sich mit den Projektionen ihres Wunschdenkens, und das macht sie blind dafür, die Realität zu sehen und zu akzeptieren. Ein korrektes Verständnis von Leerheit kann ihnen und uns helfen, den Zustand der Leugnung zu überwinden. Ein vorurteilsfreies, unterscheidendes Bewusstsein ist immer essentiell.

Wenn wir anerkennen, dass etwas in unserer spirituellen Gemeinschaft falsch ist – was ist dann der hilfreichste Weg, auf eine missbräuchliche Situation mit unserem spirituellen Lehrer zu reagieren? Mit Wut zu reagieren ist nie hilfreich. Als Störgefühl veranlasst uns Zorn, unsere Ruhe und Selbstbeherrschung zu verlieren. Nicht wütend zu sein bedeutet jedoch nicht, dass, wenn unser Lehrer unethisch handelt, wir das nicht ablehnen und zu stoppen versuchen. Die Vinaya-Lehren über klösterliches Verhalten besagen eindeutig, dass ein Mönch oder eine Nonne niemals kooperieren sollte, wenn ihr Lehrer sie auffordert, etwas zu tun, das nicht dem Dharma entspricht. Dies ist sogar im Tantra der Fall.

Zu Beginn einer tantrischen Initiation ist es üblich, denen, die eingeweiht werden, einen indischen Text aus dem fünften Jahrhundert vorzulesen, die „Fünfzig Verse der Guru-Hingabe“, wo Ashvaghosha erklärt, dass wir nicht einfach blindlings gehorchen sollten, wenn unser Lehrer uns bittet, etwas Unangebrachtes oder etwas außerhalb unserer Fähigkeit zu tun. Er schreibt: „Erklären Sie in (höflichen) Worten, warum Sie nicht kooperieren können.“ Das Kalachakra-Tantra sagt auch, dass man auf höfliche Distanz gehen sollte, wenn die Beziehung mit dem tantrischen Meister sich verschlechtert und man sieht, dass es zu viele Fehler in dieser Person gibt. Wir müssen unterscheiden, ob wir mit Wut handeln oder entschlossen mit klarem Verstand.

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Umgang mit unethischen Lehrern

Wenn unser Lehrer auf unethische Weise handelt oder uns dazu auffordert, etwas Unethisches zu tun oder über unsere Fähigkeiten hinauszugehen, können wir, wie Ashvaghosha es empfohlen hat, höflich erklären, dass wir nicht in der Lage sind, die Aufforderung zu befolgen, und bitten um weitere Klärung. Wenn dies sogar dann das Procedere ist, wenn wir den Lehrer und uns selbst vor dem Eintritt in die Beziehung korrekt geprüft haben, um wie viel mehr muss es das Procedere sein, wenn wir tantrische Initiationen vorzeitig und ohne vorherige Prüfung oder Vorbereitung erhalten haben.

Wenn sich ein missbrauchender Lehrer nicht ändern, nachdem wir ihn höflich konfrontiert und um eine Erklärung gebeten haben, dürfen wir nicht aufgeben. Selbst wenn wir nicht verhindern können, dass Wut entsteht, müssen wir uns über die Situation Gedanken machen und dürfen nicht voreilig handeln. Handeln aus Wut macht unseren Geist unklar, und wir verlieren unsere Selbstbeherrschung, was uns dazu bringt, unkluge Dinge zu tun, die nicht nur uns selbst, sondern auch anderen in der spirituellen Gemeinschaft schaden. Wenn man in solchen Situationen starke Maßnahmen ergreift – zum Beispiel das Thema öffentlich macht, um den Lehrer zu beschämen – basiert dies nicht notwendigerweise auf Wut. Wir müssen das Problem mit einem mitfühlenden Geist angehen. Mit Mitgefühl wollen wir allen Beteiligten helfen, Leiden zu vermeiden, auch dem Lehrer. Selbst wenn wir starke Maßnahmen ergreifen müssen: Wenn wir aus Mitgefühl heraus handeln, sind unsere Gedanken klar, wir sind nicht verärgert und können klug entscheiden, was zu tun ist.

Schuld überwinden

Menschen, die missbräuchlichen Situationen begegnen, sehen sich häufig mit starken Schuldgefühlen konfrontiert. Wenn sie sich in einer missbräuchlichen Situation befinden, denken sie, dies liege daran, dass sie schlecht seien und das Heranreifen negativer karmischer Potenziale als eine Art Strafe verdient hätten. Dieses Missverständnis trägt den moralistischen westlichen Schuldbegriff in die buddhistischen Lehren und bringt uns nur mehr Leid.

Die Schuld entsteht durch die Identifikation, ich sei schlecht, der Lehrer sei schlecht und was ich getan habe und was der Lehrer getan hat, sei schlecht. Wir projizieren die Urteile als real und dauerhaft, halten an den Identifikationen fest und lassen sie nicht los. Aber wenn die Dinge auf diese unmögliche Weise existierten, wie wir imaginieren, könnte sich niemals etwas ändern. Die Situation könnte niemals von Ursache und Wirkung beeinflusst werden, und wir und unsere Gemeinschaft könnten niemals von dem Skandal heilen. Es wäre unmöglich, irgendwelche negativen karmischen Potentiale zu reinigen, und es wäre unmöglich, Befreiung und Erleuchtung zu erlangen. Wir existierten ewig als verdammt und schlecht, ebenso der Lehrer. Dies ist kein Buddhismus. Ursache und Wirkung sind immer gültig, und selbst der schmerzhafteste Fallout einer geistigen Katastrophe kann gereinigt werden, und wir können heilen.

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Zwischen Person und Verhalten unterscheiden

Wie Seine Heiligkeit der Dalai Lama betont, ist es wichtig, zwischen der Person und dem Verhalten der Person zu unterscheiden. Wir lehnen das destruktive Verhalten der Person oder unser eigenes naives Verhalten ab, aber wir lehnen die Person niemals ab. Mit einem ruhigen, klaren Geist des unterscheidenden Bewusstseins bewahren wir Mitgefühl mit ihnen und uns selbst.

Wir tun dies abgestuft, wie es zum buddhistischen Weg passt: Persönliche Instruktionen von Manjushri, dem Fünften Dalai Lama, betonen, dass wir die Unzulänglichkeiten unseres spirituellen Lehrers nicht naiv leugnen sollten. Wie viele Sutras konstatieren, ist es fast unmöglich, eine Lehrerin oder einen Lehrer zu finden, die oder der sämtliche positiven Eigenschaften besitzt. Zumindest jedoch sollte die Person mehr positive als negative Eigenschaften haben. In diesem Sinne sollten wir niemals die positiven Eigenschaften eines missbrauchenden Lehrers leugnen. Wir werden viel mehr davon profitieren, wenn wir die positiven Eigenschaften und das, was wir von einer Person gelernt haben, schätzen und anerkennen, als wenn wir uns über ihr unethisches, destruktives Verhalten beklagen und beschweren.

Schlussfolgerung

Wenn wir eine schmerzhafte Beziehung zu einem missbrauchenden Lehrer haben, müssen wir sein Verhalten definitiv ablehnen und sogar starke Maßnahmen ergreifen, es zu beenden, falls sanftere versagen. Aber wir sollten nicht so stark daran festhalten, dass wir – indem wir denken, es sei „so schlecht“ gewesen und uns kontinuierlich beschweren – niemals loslassen. Mit anderen Worten: Wir gehen mit der Situation um und lassen sie dann los. Wir legen den Schwerpunkt darauf, den Nutzen zu erkennen, den wir von der Person und dem, was wir gelernt haben, gewinnen konnten. Das sollten sie nicht leugnen. Dieser Ansatz ist in Übereinstimmung mit dem tantrischen Rat im Kalachakra, respektvolle Distanz zu wahren, und öffnet die Tür hin zu einer spirituellen Gemeinschaft, in deren Rahmen man von solchen Störungen heilen kann. Ansonsten würde jeder in einem Trauma verharren und viele Menschen können entmutigt werden und ihren spirituellen Weg aufgeben. Wir müssen den Menschen helfen zu heilen. Deshalb ist Mitgefühl so wichtig; es ist der Schlüssel zu allem Glück.

Dr. Alexander Berzin

Alexander Berzin ist US-amerikanischer Autor, Übersetzer und Lehrer für Vajrayana-Buddhismus. Er studierte Orientalistik, promovierte an der Harvard University und hielt sich im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums in Dharamsala auf, wo er Unterweisungen von Lamas der vier großen buddhistischen Traditionen des tibetischen Buddhismus erhielt. Er lebt heute in Berlin. Seine Bücher tragen die Titel: „Den Alltag meistern wie ein Buddha. Übungen für einen feinfühligen Umgang mit sich selbst und anderen“, „Kalachakra – das Rad der Zeit. Geschichte, Wesen und Praxis des bedeutendsten tantrischen Initiationsrituals des tibetischen Buddhismus“ und „Zwischen Freiheit und Unterwerfung. Chancen und Gefahren spiritueller Lehrer-Schüler-Beziehungen“. Dr. Berzin ist Gründer and Autor von Berzin Archives e.V., dessen Webseite neu publiziert wurde als studybuddhism.com.

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