Orientierung in der Vielfalt buddhistischer Möglichkeiten

Ein Interview mit Bettina Hilpert geführt von Susanne Billig veröffentlicht in der Ausgabe 2020/2 Diversity unter der Rubrik Diversity.

In großen Städten und zumal im Internet kann man heute zu vielen Dutzend buddhistischen Gemeinschaften und Zentren Kontakt aufnehmen. Wer sich dem Buddhismus erstmals annähert, ist häufig überfordert, sich in der Vielfalt der buddhistischen Möglichkeiten zu orientieren. Oft suchen Menschen dann den Rat der Deutschen Buddhistischen Union und bekommen Bettina Hilpert von der Geschäftsstelle ans Telefon. Für BUDDHISMUS aktuell nennt sie die häufigsten Fragen und ihre Antworten.

FRAGE: Es gibt so viele verschiedene buddhistische Angebote, wenn man sich mal im Netz umschaut – wie kann ich als Anfängerin oder Anfänger überhaupt eine Entscheidung treffen, was ich ausprobieren sollte und was vielleicht eher nicht?

Bettina Hilpert: Die meisten der vielen verschiedenen Traditionslinien im Buddhismus, die hier bei uns im Westen angekommen sind, kann man drei Hauptrichtungen zuordnen: tibetischer Buddhismus, Zen, Theravada. Ich empfehle, sich erst einmal aus jeder dieser Richtungen eine Gruppe anzusehen und dann zu entscheiden, welche Tradition einen am meisten anspricht und dann dort einzusteigen und weiterzumachen.

Wenn Menschen in großen Städten leben, ist das meist kein Problem, da das Angebot umfassend ist. Auf dem Land hingegen ist es nicht so einfach, denn dort gibt es oft nur wenige oder überhaupt keine Gruppen in der Nähe. Dann empfehle ich, einen Meditationskurs in einem Retreat-Zentrum zu machen. (Ein Retreat ist eine buddhistische Einkehrzeit.) Gern verweise ich auf die Liste der DBU-Mitgliedsgemeinschaften, von denen die meisten ja auch Retreat-Zentren sind.

Ich möchte mich einem spirituellen Lehrer oder einer spirituellen Lehrerin anvertrauen. An wen kann ich mich wenden?

Hier ist meine Empfehlung, sich erst einmal mit einer Tradition zu beschäftigen und über die Praxis in einer Gruppe oder bei einem Meditationskurs in Kontakt mit einer Lehrerin, einem Lehrer zu kommen. Denn: Vertrauen ist eine sehr persönliche Sache.

Gerne möchte ich mich einer buddhistischen Gruppe in meiner Stadt oder Region anschließen. Wie finde ich die?

Am besten über das Internet. Wir haben auf unserer Website eine Gruppenliste1, in der Interessierte nach Postleitzahlen-Bereichen suchen können. Dort sind aber leider nicht immer alle Gruppen eines Ortes verzeichnet, da die Gruppen sich selber um den Eintrag kümmern müssen. Die Gruppen sind auch für Aktualisierungen selbst verantwortlich, was nicht immer reibungslos klappt. Aber die meisten buddhistischen Gruppen sind bei uns doch zu finden. Eine Alternative: Einfach im Internet unter „Buddhismus“ und dem jeweiligen Ort suchen. Menschen, die keinen Internetzugang haben, können bei mir gerne einen gedruckten Auszug unserer Gruppenliste per Post bestellen.

Der Buddhismus interessiert mich schon seit geraumer Zeit und nun möchte ich auch offiziell Buddhistin oder Buddhist werden. Wo und wie kann ich formal konvertieren?

Am besten während eines Meditationskurses oder Retreats. Denn in diesem Rahmen wird der Beitritt zum Buddhismus, die sogenannte Zufluchtnahme, in der Regel angeboten. In einer Meditationsgruppe geht das sicher auch – und man kann es für sich selbst tun, denn letztlich geht es um eine innere Ausrichtung. Wer das möchte, kann bei mir gerne einen Text zur Zufluchtnahme als weitergehende Erklärung erhalten.

Heutzutage gibt es viele Kurse zur Achtsamkeit, sogar an meiner Volkshochschule. Was bietet eine authentisch-buddhistische Gruppe mir „mehr“ und warum könnte ich mich für das eine oder für das andere entscheiden?

Das kommt darauf an, was man eigentlich sucht. Buddhistische Angebote, vor allem wenn man sie stetig und über viele Jahre hinweg besucht, vermitteln die Lehre des Buddha und einer buddhistischen Tradition in ihrer Gesamtheit. Ein Kurs zur Achtsamkeit vermittelt nur diesen – wertvollen – Teil. Man kann also den kleinen Ausschnitt eines Panoramas anschauen, könnte aber auch einen großen Überblick über die gesamte Landschaft erhalten.

Man hört immer wieder von Missbrauchsskandalen im Buddhismus, was sehr verunsichernd ist. Wie kann ich prüfen, ob die Gruppe, zu der ich hingehen möchte, von solchen Skandalen frei ist?

Einfach hingehen und sich die Gruppe anschauen – mit offenem Interesse. In der Regel muss man weder sofort Mitglied werden noch Eintritt zahlen, sondern wird nur um eine Spende für den jeweiligen Abend gebeten, da die Zentren laufende Unterhaltskosten haben. Die Menschen, die man dort antrifft, arbeiten meist ehrenamtlich für das Zentrum. Ich empfehle neben dem Einsatz des gesunden Menschenverstands unsere „Orientierungshilfe“, die es als Flyer gibt und die als PDF-Datei von der Website heruntergeladen werden kann.2 Anhand der Checklisten und Fragen in unserer Orientierungshilfe kann man selbst überprüfen, ob die Gemeinschaft, die man kennengelernt hat, eventuell sektenartige Strukturen hat. Auch hier ist es wichtig, sich über das eigene Befinden und die eigene Suche klar zu werden. Wenn man sich zum Beispiel gerade tendenziell anlehnungsbedürftig und schwach fühlt, sollte man besonders vorsichtig sein und sehr genau darüber nachdenken, ob die Gemeinschaft, die man kennengelernt hat, sich als Allheilmittel anpreist oder eher dazu ermutigt, wieder in die eigene Stärke und das eigene Selbstvertrauen zu kommen.

Ich habe in einer Gruppe angefangen zu meditieren, von der ich nun höre, dass es da doch einige Schattenseiten in der Vergangenheit gab oder vielleicht sogar jetzt noch gibt. Eigentlich fühle ich mich aber hier sehr wohl und mache gute Erfahrungen. Das verunsichert mich, wie könnte ich damit umgehen?

Hier wäre mein Rat, sich darüber zu informieren, um welche Schwierigkeiten es in der Gruppe genau ging. Manchmal halten sich unheilsame Strukturen in Gemeinschaften, auch wenn der eigentliche Verursacher gar nicht mehr in der Gemeinschaft aktiv ist. Bitte mit einem offenen Geist an die Sache herangehen, denn man kann auch hier etwas lernen. Es ist ja nicht alles schlecht, was in der Gruppe gelehrt wurde und wird, nur weil eine Person sich ethisch nicht einwandfrei verhalten hat. Dennoch ist es wichtig, wachsam zu bleiben und sich vor allem mit der eigenen Motivation auseinanderzusetzen: Was suche ich eigentlich, was will ich erreichen? Dann lässt sich schneller erkennen, wenn etwas schiefläuft oder übergriffig wird.

Was ist eine Ermächtigung? Kann sie auch wieder rückgängig gemacht werden?

Bei einer Ermächtigung handelt sich um eine Unterweisung in einer bestimmten Praxis des tibetischen Buddhismus. Dabei bekommt man beispielsweise genaue Anweisungen, was man in der Meditation visualisieren soll, und wird durch eine Übertragungszeremonie, geleitet von einer vollständig qualifizierten tantrischen Meisterin oder einem vollständig qualifizierten tantrischen Meister, in diese Praxis eingeführt. Meines Wissens kann eine Ermächtigung nicht rückgängig gemacht werden. Es kommt auch auf die eigene Geisteshaltung an: Wusste man, worauf man sich einlässt? Auch die Umstände sind wichtig: War der Lehrer, die Lehrerin wirklich ausreichend für diese Ermächtigung qualifiziert? Empfehlenswert ist ein sehr ausführlicher und guter Artikel von Dagyab Rinpoche zu diesem Thema.3

Der Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster interessiert mich, wie geht das?

Wer auf der Suche nach einer Einkehrzeit ist, kann über die DBU-Geschäftsstelle oder unsere Website Links zu Mitgliedsgemeinschaften erhalten, die Retreats anbieten. Manchmal erreichen mich auch Anfragen von Menschen, die eine Ordination und den Eintritt in ein Kloster erwägen. Dazu muss ich sagen: Es gibt in Deutschland nur wenige buddhistische Klöster, in denen man sich ordinieren lassen kann. Eine Aufnahme in ein Kloster ist auch meist nur möglich, wenn man schon Praxiserfahrung hat. In Asien ist eine Ordination auf Zeit meist recht unkompliziert, hier in Deutschland hingegen gestaltet sie sich wesentlich aufwendiger und wird auch viel seltener gemacht. Die Klöster wollen Bewerber*innen auch erst einmal kennenlernen, bevor eine Ordination angedacht werden kann. Wer ernsthaft interessiert ist, sollte mit den Klöstern am besten direkten Kontakt aufnehmen. Die DBU kann das nicht vermittelt, versendet aber gerne eine Liste der buddhistischen Klöster in Deutschland.

Mich interessieren Adressen von Klöstern im Ausland, wie finde ich die?

Die DBU hat hierzu kein Verzeichnis. Für diese Informationen müsste man sich an die Europäische Buddhistische Union wenden oder an weltweite buddhistische Zusammenschlüsse. Einige Kontaktmöglichkeiten finden sich auf der DBU-Website.4

Wir möchten gerne buddhistisch heiraten. Wer kann uns eine Zeremonie anbieten?

In asiatisch-buddhistischen Ländern nehmen Mönche keine Eheschließungen vor, sondern führen ausschließlich Zeremonien beim Sterben und beim Tod durch. Man kann bei buddhistischen Gruppen in der Nähe anfragen, ob es eine Dharmalehrerin, einen Dharmalehrer gibt, die auf Anfrage eine Hochzeitszeremonie leiten. Adressen von buddhistischen Gruppen können über die Website der DBU gefunden werden.1 Selbstverständlich kann man auch selbst eine buddhistisch inspirierte Zeremonie gestalten. Als Anregung dazu empfehle ich das Buch „Rituale für das ganze Leben: Buddhistisch inspiriert“ von Ursula Lyon (siehe unten).

Nach einem Trauerfall möchten wir gerne eine Beisetzung in einem buddhistischen Rahmen. Wie finden wir ein entsprechendes Bestattungsunternehmen oder eine/n buddhistische/n Trauerredner/in?

Auch hier kann ich nur Rat und Hinweise geben. Im besten Fall war die oder der Verstorbene mit einer buddhistischen Gemeinschaft verbunden, dann ergeben sich angemessene Formen der Bestattung meist aus diesem Zusammenhang heraus. Gab es eine solche Anbindung nicht oder wissen die Angehörigen nicht, in welcher Tradition die oder der Verstorbene praktiziert hat, wird es meist schwierig. (Darum wäre hilfreich, wenn alle Buddhistinnen und Buddhisten solche Themen vorher mit ihren Angehörigen besprechen und regeln.) Was immer möglich ist: Angehörige können eine Bestatterin oder einen Bestatter auswählen, bei denen sie das Ritual des Abschieds selbst gestalten können. Links zu hilfreichen Portalen finden sich unter diesem Artikel. Auch hier lautet meine Buchempfehlung „Rituale für das ganze Leben: Buddhistisch inspiriert“.

Gibt es eine buddhistische Wohngemeinschaft, in die ich einziehen kann?

Danach werde ich immer mal wieder gefragt, aber eine öffentliche Liste von Wohngemeinschaften gibt es nicht. In einigen Gemeinschaften, wie zum Beispiel bei Triratna, kommt es durchaus häufiger vor, dass Mitglieder der Gemeinschaft in WGs zusammenwohnen. Dort kann man jedoch nicht einfach mit einziehen, sondern es gibt einen mehrjährigen Weg über das Gemeinschaftsleben dorthin. Es ist natürlich immer möglich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und eine WG mit buddhistischen Gleichgesinnten zu gründen. Denn: Insgesamt zeichnet sich der Buddhismus durch eine große Freiheit aus. Nicht Formalien und Institutionen stehen im Mittelpunkt, sondern die eigene Ausrichtung und Ernsthaftigkeit.

Anmerkungen

  1. buddhismus-deutschland.de/gruppensuche- bundesweit
  2. DBU-Orientierungshilfe: tinyurl.com/dbu-orientierungshilfe
  3. EmpfehlenswerterText zur Ermächtigung: tinyurl.com/dagyab-tantra
  4. buddhismus-deutschland.de/buddhismus-im- ausland
  5. Hilfreiche Portale bei Tod und Trauer: portadora.de, bestatter-netzwerk.net, Berufsverband Trauerbegleitung unter bv-trauerbegleitung.de

Weitere Informationen

Die DBU ist der Dachverband zahlreicher buddhistischer Gemeinschaften und Einzelmitglieder in Deutschland und zentraler Ansprechpartner für den Buddhismus, da sie sich als neutrale Anlaufstelle für Interessierte versteht. Die Geschäftsstelle der DBU, die von Bettina Hilpert betreut wird, hat ihren Sitz in München und unterstützt die vielfältigen Aktivitäten der DBU.
Telefon: 089-452 06 93-0
Anschrift: DBU-Geschäftsstelle, Amalienstr. 71, 80799 München
E-Mail: info@dbu-brg.org

Literaturhinweis

Ursula Lyon: „Rituale für das ganze Leben: Buddhistisch inspiriert“,
207 Seiten, Waldhaus-Verlag

Bettina Hilpert

Bettina Hilpert, geboren 1961, hat ihre buddhistische Heimat im Vipassana und im säkularen Dharma. Nach einer beruflichen Ausbildung als Modellmacherin und Schnittdirektrice arbeitet sie seit 2003 in der DBU-Geschäftsstelle München in vielen Bereichen. Ihre Hauptaufgabenfelder sind: Koordination und Beantwortung von Anfragen, Datenpflege, Abonnenten- und Mitgliederservice, Veranstaltungsvorbereitung und Durchführung, Kongressorganisation vieler DBU-Kongresse sowie Unterstützung der Redaktion von BUDDHISMUS aktuell.

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